Bühne

Keine Angst vor dem Wunderkind

„Die Verheißung des deutschen Theaters“: Ersan Mondtag kommt mit seine­r Hamburger „Orestie“ ins Theater an der Wien.Foto: APA/Schlager
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Ersan Mondtag gilt als der Jung-Regisseur der Stunde. Mit der „Orestie“ gibt er bei den Wiener Festwochen sein Österreich-Debüt.

Von Bernadette Lietzow

Wien – „Ende 2019 drehe ich meinen ersten Kinofilm, das wird bestimmt sehr gut“, „Mein Operndebüt ist nächstes Jahr (Spielzeit 2018/19; Anm. d. Red.) in Freiburg, da will ich ,Macbeth‘ von Verdi inszenieren“, „Hausregisseur ist mir zu wenig Einfluss, lieber Intendant“: An mangelndem Selbstbewusstsein leidet der 1987 in Berlin geborene Ersan Aygün, dessen Künstlername Mondtag die deutsche Entsprechung seines Nachnamens ist, in keinster Weise. Und ist dabei – trotzdem – sympathisch, ein hochsensibler Beobachter und kritischer Teilhaber an der Gesellschaft, auch außerhalb des Kunstkontextes.

Mondtag, schon als Jugendlicher von Theater infiziert, begann seinen Weg als Hospitant bei Größen wie Frank Castorf oder Claus Peymann. Zwei Jahre Regiestudium an der Münchner Falckenberg-Schule reichten ihm, mit eigenen radikalen Performance-Projekten irritierte er unter anderem am Münchner Oktoberfest, wo er mit Burkaträgerinnen eine Schießbude aufsuchte.

Einige Inszenierungen an renommierten deutschen Stadttheatern später adelte ihn Theater heute im Jahr 2016 für seine Stück-Findung „Tyrannis“ zum Kostümbildner, Nachwuchsregisseur und Nachwuchsbühnenbildner des Jahres.

Zudem sorgten seine Arbeiten beim ehrwürdigen Berliner Theatertreffen für Furore. Am Frankfurter Museum Moderner Kunst thematisierte er im vergangenen Herbst in der Ausstellung „I am a problem“ den gegenwärtigen Wahn von Selbst­optimierung und Leistungsdruck und nun ist Mondtag erstmals in Österreich zu Gast.

Auf Einladung der Wiener Festwochen feiert am Montag am Theater an der Wien seine für das Hamburger Thalia Theater geschaffene Interpretation von Aischylos’ „Orestie“ Premiere, die einige Überraschungen, nicht zuletzt im Hinblick auf geschlechtsspezifische Rollenverteilung birgt.

Was kennzeichnet die Bühnenarbeiten der, so Theater heute, „Verheißung des deutschen Theaters“? Mondtag wünscht sich, „dass eine Verschiebung der Wahrnehmung einsetzt“: bei ihm selbst wie auch bei seinem Publikum. Dazu bemüht er virtuos eine eindrucksvoll märchenhafte Bildsprache, ausgeklügelte, meist extra komponierte Bühnenmusik und nicht zuletzt die Kraft der Schauspieler, die er häufig mittels üppiger Maske ihrer eigenen Mimik beraubt, ohne sie zu bloßen Wachsfiguren seiner Ideen zu machen. Provokation um der Kunst willen. Reizvoll.