Bühne

Der junge Wagner, politisch gerüstet am Landestheater

© Larl

Am Tiroler Landestheater hatte am Wochenende „Rienzi, der Letzte der Tribunen“ Premiere, Richard Wagners erste erfolgreiche Oper mit einer fatalen Geschichte im 20. Jahrhundert.

Von Ursula Strohal

Innsbruck –Wagner, der „Rienzi“ 1838 als 25-Jähriger in Angriff nahm und bei der Uraufführung 1842 in Dresden seinen ersten durchschlagenden Erfolg hatte, distanzierte sich später von der „Jugendsünde“, bezeichnete sein Libretto als „Textfertigung“ und wollte das Werk auch nicht in Bayreuth aufgeführt sehen.

Die Oper gibt die Gründe an: Die ersten beiden Akte sind mit Festmusik, Chören und Aufzügen ganz und fast ein wenig naiv der Grand opéra geschuldet, der Komponist zielte ja auf eine Aufführung in Paris ab. Nach einer erzwungenen Kompositionspause ging es verändert weiter. Zwar bestimmen die Wirkungsmöglichkeiten der großen Oper und deren traditionelle Mittel noch immer die dramatische Form, aber Wagner weiß nun immer deutlicher, was er will und nie wieder der Konvention und dem Kalkül opfert: Er wird das Kunstwerk der Zukunft erschaffen, Dichtung und Musik verschmelzen, das Einzelne nicht vom Ganzen und nicht vom Mythos trennen. Er wird das Orchester, wie wir heute formulieren, psychologisch nutzen. Das Selbstbewusstsein wächst über alle Maßen, Werk um Werk befreit er sich vom Überkommenen. Da kann er die französisch-italienisch ausgerichtete Nummernoper aus frühen Jahren, die ihre Banalitäten hat, nicht mehr brauchen.

Das Spannende ist der stilistische Bruch und der Blick in die Zukunft. „Rienzi“ nimmt harmonisch, melodisch, dramaturgisch und ideologisch Kommendes vorweg, erzeugt eine Ahnung vom „Fliegenden Holländer“, von „Tannhäuser“, „Lohengrin“, „Walküre“. Den politischen Aspekt – Machtmechanismen, der Konflikt zwischen Gesetz und Willkür, Antiklerikalismus, die Verführung der Massen –, den er in der Folge mythisch verkleidet, legt der junge Wagner hier offen bis zur Aggression dar. Es geht um Aufstieg und Fall des historischen Cola di Rienzo, der im mittelalterlichen Rom, vom Volk getragen, aufsteigt und von ihm vernichtet wird.

„Rienzi“ war Hitlers Lieblingsoper. Die Partitur, die er geschenkt bekam, ist nun verschollen. Am Tiroler Landestheater inszenierte Johannes Reitmeier das wenig gespielte Stück in sinnvoll gekürzter Fassung genau aus, mitunter zu narrativ Details ausleuchtend, in der durchaus auch martialischen Massenmobilisierung eher zurückhaltend in Form von Tableaus.

Dafür holt er aus der insgesamt recht stilisierten Haltung des Stückes, das Wagner jenseits des politischen Aufruhrs und der plakativen Argumentation mit wenig privaten Emotionen ausgestattet hat, möglichst viel Beziehungsarbeit heraus. Der junge Feuerkopf Adriano, mit dessen politischer Hitze, menschlicher Zerrissenheit und stimmlicher Anforderung sich Jennifer Mains in die vorderste Liga spielt und singt, ist dafür die dankbarste Figur.

Die von Thomas Dörfler mit drei Türmen sowie Tribünen bebaute Bühne, matt projizierte Kerzen als Symbol der Lateranbasilika, und die etwas unschlüssige (Chor) heutige Kostümierung von Antje Adamson dämpfen das Historiengemälde, nicht aber die Erzählfreudigkeit der Regie, die mehr Distanz vertragen hätte. Emotionalität spült ja die Musik herauf. Lukas Beikircher, musikalischer Leiter der Produktion, scheut weder Pathos noch Banalität, hält Orchester und Bühne zusammen, aber das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, vor der ersten Pause mehrfach unkonzentriert, kann wirklich mehr.

Und dann ist auch der Cola Rienzi von Marc Heller schauspielerisch kein Held der Differenzierung. Gesanglich gestaltet er diese Figur, die als Idealist auftritt, wohlbekanntem Populismus und gefährlichem Machtanspruch verfällt, mit heldisch starkem, in Wellen erschöpfbarem Tenor, mit einem beeindruckenden Gebet als Höhepunkt. Reitmeier zeigt Rienzis mit Rachezwang vermengten Aufstiegs- und Herrschaftswahn anhand Napoleons Insignien.

Großartiges leistet der gefeierte, von Michel Roberge einstudierte Chor. Josefine Weber schenkt der Irene leuchtende Soprantöne, die rauen Adeligen Colonna und Orsini sind bei Johannes Maria Wimmer und Joachim Seipp bestens aufgehoben, Unnsteinn Arnason steht für die Kirche ein, Florian Stern und Alec Avedissian treten als kernige römische Bürger auf.

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