Abgas-Urteil mit „enormer Sprengkraft“
Ein Burgenländer Gericht stellte nach dem Software-Update bei einem Audi viel zu hohe Stickoxid-Werte fest und sprach dem Käufer 21.000 Euro zu. Das Urteil ist mögliche Munition für Schadenersatzprozesse gegen den VW-Konzern.
Wien –In den USA musste der VW-Konzern als Folge des Dieselskandals um manipulierte Abgas-Werte den betroffenen Autobesitzern mehrere Milliarden Dollar Entschädigung zahlen. In Europa dagegen kam VW bislang deutlich billiger davon – nämlich mit einem günstigen Software-Update. Dieses Update würde laut VW sicherstellen, dass die Stickoxid-Werte deutlich gesenkt werden. VW schreibt wieder Milliardengewinne.
In der Causa um manipulierte Abgas-Werte bei VW gibt es nun ein bemerkenswertes Urteil. Das Landesgericht Eisenstadt hat erstmals den Ausstoß von Stickoxid (NOx) auf der Straße gemessen – vor und nach dem Software-Update. Das Ergebnis: Vor dem Update wurden die Schadstoffwerte um mehr als 200 % überschritten, nach dem Update noch immer um 77 %.
Das nicht rechtskräftige Urteil ist laut Klägeranwalt Michael Poduschka „sensationell“ und birgt „enorme Sprengkraft“. Durch das Software-Update von VW seien die Mängel nicht beseitigt worden, der rechtswidrige Zustand bestehe also fort. Eine Überschreitung der NOx-Werte um mehr als 200 % vor dem Update berechtige zur Irrtumsanfechtung.
Die Burgenländer Kläger dürfen dem Urteil zufolge vom Vertrag zurücktreten, können also die Rückabwicklung ihres Autokaufs verlangen. Arglist durch den beklagten Autohändler lag nicht vor, so das Gericht.
In dem Verfahren ging es um den CO2- sowie NOx-Ausstoß und den Dieselverbrauch des Audi Q3. Die Richterin ließ das Fahrzeug auf CO2- und NOx-Ausstoß sowie Verbrauch testen – am Prüfstand und auf der Straße, vor und nach dem Update. Hinsichtlich Dieselverbrauch und Kohlendioxidemissionen war alles in Ordnung. Sowohl vor als auch nach dem Update wurden die Grenzwerte im Großen und Ganzen eingehalten, am Prüfstand und auf der Straße.
Anders beim NOx-Wert: Am Prüfstand wurde er vor dem Update eingehalten – weil sich dank Schummelsoftware der Saubermodus einschaltete. Auch nach dem Update waren die Prüfstandswerte in Ordnung. Im Realbetrieb hingegen wurden die NOx-Grenzwerte dramatisch überschritten: vor dem Update um 247 % und nach dem Update immer noch um 77 %, geht aus dem Gerichtsgutachten hervor.
Für den Autokäufer wäre laut Gericht ein Überschreiten der Prüfstandswerte von „allenfalls“ 20 bis 30 Prozent „noch akzeptabel“ gewesen, „ein Überschreiten von Schadstoffgrenzwerten von 247 Prozent vor bzw. 77 Prozent nach dem Update jedoch frappiert“, stellt die Richterin fest.
Der Volkswagen-Konzern, zu dem auch Audi gehört, hat bisher immer argumentiert, es gebe keine Grenzwerte für den Realbetrieb, darum könnten diese auch nicht überschritten werden.
Das lässt das Landesgericht Eisenstadt nicht gelten und verweist auf die Vorgaben der entsprechenden EU-Verordnung (EG 715/2007), auf die sich VW selbst auch beruft. Demnach muss ein Fahrzeug „unter normalen Betriebsbedingungen“ den Vorgaben der Verordnung entsprechen. Ziel der Verordnung ist, so das Gericht, „dass die Grenzwerte der Verordnung im realen Straßenbetrieb, welcher die normalen Betriebsbedingungen am meisten umfasst, (annähernd) erreicht“ werden.
Kläger-Anwalt Poduschka hält diese Begründung rechtlich für richtig und auch vom „gesunden Menschenverstand“ her. Eine Überschreitung der Herstellerangaben um 30 Prozent sei hinzunehmen, jedoch nicht um fast 80 Prozent. „Mit den weiterhin bestehenden Rechtswidrigkeiten kann man aus meiner Sicht auch in den Schadenersatzprozessen gegen Volkswagen argumentieren“, meint der Rechtsvertreter.
Vom Abgas-Skandal betroffenen Autobesitzern mit Rechtsschutzversicherung rät Poduschka, bald zum Anwalt zu gehen, um ebenfalls eine Entschädigung für die Wertminderung durch die Manipulation zu bekommen. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, sollte sich an den Verein für Konsumenteninformation (VKI) wenden, der eine Sammelaktion initiiert hat. Die Anmeldefrist dafür endet am Sonntag, 20. Mai.
Gegen das Eisenstädter Urteil will Poduschka übrigens berufen. Dem Anwalt ist der vom Gericht zugesprochene Betrag von 21.000 Euro inklusive Zinsen zu gering, schließlich habe der Audi Q3 im Jahr 2013 etwa 40.000 Euro gekostet. „Wir glauben, dass den Käufern zwischen 30.000 und 35.000 Euro zustehen.“ (APA)