Grenzschutz

Einigung im deutschen Asylstreit: Österreichs Regierung skeptisch

Außenministerin Karin Kneissl bestätigte, dass Österreich in den Entscheidungsprozess zwischen CSU und CDU nicht eingebunden wurde.
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Auch Österreich ist in der Einigung zwischen CSU und CDU erwähnt. Dort sollen an der Grenze Transitzentren errichtet, fallweise Flüchtlinge zurückgewiesen werden. Die Bundesregierung sieht das skeptisch, war laut Außenministerin Kneissl nicht eingebunden – und Innenminister Herbert Kickl schloss eine Rücknahme noch vor kurzem kategorisch aus.

Berlin/Wien – Nach dem deutschen Asylkompromiss gibt es noch keine Klarheit darüber, ob sich Österreich diesem fügen wird. Während die österreichische Bundesregierung am Dienstag in der Früh lediglich Maßnahmen zum Schutz seiner Südgrenze angekündigt hat, sieht der deutsche Innenminister Horst Seehofer bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein Interesse an „vernünftigen Lösungen“.

„Ich habe den Eindruck, dass er an vernünftigen Lösungen interessiert ist“, sagte der CSU-Chef nach einem Telefongespräch mit Kurz am Dienstagvormittag. Er wolle „so schnell wie möglich“ zu Gesprächen nach Wien fliegen, kündigte er an. Außerdem wolle er noch am heutigen Dienstag mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini reden, der eine Rücknahme von Asylbewerbern bisher kategorisch ausgeschlossen hat.

Die österreichische Regierung reagierte in einer schriftlichen Stellungnahme kritisch auf den Unions-Kompromiss, der eine Zurückweisung von aus Österreich kommenden Asylbewerbern vorsieht. „Die Einigung von CDU und CSU deutet darauf hin, dass Deutschland nationale Maßnahmen zur Bekämpfung der Migrationsströme setzen will. Sollte diese Einigung so zur deutschen Regierungsposition werden, sehen wir uns dazu veranlasst, Handlungen zu setzen, um Nachteile für Österreich und seine Bevölkerung abzuwenden. Die Bundesregierung ist daher darauf vorbereitet, insbesondere Maßnahmen zum Schutz unserer Südgrenzen zu ergreifen“, teilte die Regierungsspitze am Dienstag mit. „Wir erwarten uns jetzt eine rasche Klärung der deutschen Position in der Bundesregierung.“

Kneissl: „Zu keiner Zeit eingebunden“

„Das wirft eine ganze Reihe von europarechtlichen Fragen auf“: Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) reagierte verhalten skeptisch auf die von den deutschen Unionsparteien präsentierte Lösung. Am Rand eines Treffens mit ihren deutschsprachigen Amtskollegen in Luxemburg war für Kneissl nur eines klar: „Wir waren hier zu keiner Zeit eingebunden.“

„Inwieweit das mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist und welche Folgen das für das Europarecht und den Schengen-Raum haben wird, wird sich weisen“, kommentierte Kneissl in Schengen die getroffenen Vereinbarungen zwischen CDU und CSU hinsichtlich der Zurückweisung von in anderen EU-Staaten registrierten Asylbewerbern - und die Rolle, die Österreich dabei zugemessen wird. „Es ist die Rede von einem Verwaltungsübereinkommen (mit Österreich), aber Österreich war hier meines Wissens zu keinem Zeitpunkt eingebunden“, sagte die Ministerin. Man warte jetzt auf weitere Details.

Allerdings machte Kneissl kein Hehl aus ihrer Skepsis gegenüber Einzelheiten der bisher bekannt gewordenen Vereinbarung der deutschen Unionsparteien, konkret die geplanten „Transitzentren“, die nicht als deutsches Staatsgebiet gelten sollen: Die Vorstellung, „dass jemand, der nicht registriert wurde, als in Deutschland gar nicht eingereist gilt - das ist eine Fiktion, mit der ich als Juristin nicht ganz zurecht komme. Wer sich auf deutschem Staatsgebiet befindet, ist dort.“ Kneissl bekräftigte allerdings: „Wir wissen noch viel zuwenig. Wenn wir weitere Details von deutscher Seite bekommen, werden wir das beurteilen.“

Österreichs Regierung unterstützte eigentlich CSU

Die schwarz-blaue Bundesregierung hatte im Asylstreit deutliche Sympathie für die Position der bayerischen CSU erkennen lassen, die sich nun gegenüber Kanzlerin Angela Merkel durchgesetzt hat. So hatte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) begrüßt, dass durch den deutschen Asylstreit eine „neue Dynamik“ entstanden sei. „Dann entsteht der Druck anderswo, und wir haben einen Dominoeffekt, der letzten Endes dazu führen soll, dass an den Außengrenzen der Europäischen Union Schluss“, sagte er Mitte Juni. Zu Seehofers Plänen, Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückzuweisen, sagte Kickl: „Sie können davon ausgehen, dass wir mit dem deutschen Innenministerium bestens akkordiert sind.“ Am Dienstag war seine Sprecherin nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die Einigung der Unionsparteien sieht anderem die Einrichtung von Transitzentren für Migranten an der Grenze zu Österreich vor. Diese Transitzentren sollen eine Zurückweisung von Migranten, die schon in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben, auf Basis einer „Fiktion der Nichteinreise“ ermöglichen. Grundsätzlich ist die Zurückweisung auf Basis von Verwaltungsabkommen mit den betroffenen Ländern abschließen „oder das Benehmen herstellen“. In Fällen, in denen dies nicht möglich sei, „findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt“.

Österreich muss nun offenbar auf die deutschen Sozialdemokraten hoffen, die sich kritisch zu den Transitzentren geäußert haben. Ob die Regierungspartei diesen Teil des Unionskompromisses akzeptiert, sollte am Dienstagabend bei einem Treffen der Spitzen von Union und SPD geklärt werden. Am Dienstagvormittag berieten die Fraktionen von Union und SPD das weitere Vorgehen. SPD-Chefin Andrea Nahles sagte, sie sehe „erheblichen Beratungsbedarf“.

Seehofer will Leute „nicht einsperren“

Die Idee der Transitzentren, die damals Transitzonen hießen, hatte die Union bereits 2015 entwickelt. Die SPD lehnte das vor drei Jahren als „Haftzonen“ ab. Seehofer bestritt entsprechende Vorwürfe am Dienstag. „Wir sperren die Leute nicht ein. Sie können frei nach Österreich im Zweifel zurückkehren. Aber sie können eben nicht einreisen“, wurde der CSU-Chef in der Unionsfraktionssitzung von Teilnehmern am Dienstag zitiert.

Am Dienstag war bei österreichischen Regierungsstellen keine Information zu erhalten, ob Österreich zu einer Vereinbarung zur Rücknahme von Asylbewerbern bereit wäre. Österreich zählt nicht zu den 14 Ländern, mit denen die deutsche Kanzlerin Merkel nach eigenem Bekunden entsprechende Vereinbarungen ausverhandelt hat. Innenminister Kickl hatte vergangene Woche im PULS 4-Interview klargemacht, dass Österreich nicht einfach so Asylbewerber zurücknehmen werde. „Wenn Deutschland glaubt, dass man entgegen internationalem Recht dann einfach Personen nach Österreich zurückbringen kann, dann werden wir den Deutschen erklären, dass wir ihnen diese Personen nicht abnehmen“, sagte er.

Abkommen mit Österreich 1998 geschlossen

Im bilateralen Rückübernahmeabkommen aus dem Jahr 1998 verpflichtet sich Österreich, jene Menschen von Deutschland zu übernehmen, die hierzulande einen Asylantrag gestellt haben. Diese Option ist nach Einschätzung von Bundeskanzler Sebstian Kurz (ÖVP) jedoch nur theoretisch, da Österreich kein Land sei, „in dem ein Flüchtling erstmals europäischen Boden betreten“ habe. „Außer Menschen springen mit dem Fallschirm ab. Das passiert so gut wie nie“, sagte Kurz nach dem EU-Gipfel am Freitag. Und „die Menschen, die mit dem Flugzeug zu uns kommen, werden in Österreich selbstverständlich ordentlich registriert. Zahlenmäßig ist das keine relevante Größe.“

Grundsätzlich verpflichtet sich Österreich in dem Abkommen auch zur „Durchbeförderung“ von Asylbewerbern, etwa nach Italien. Allerdings nur, wenn „die Übernahme durch den Zielstaat und durch etwaige weitere Durchbeförderungsstaaten sichergestellt ist“. Allerdings hat Deutschland bisher weder Italien noch die auf der Balkanroute gelegenen Staaten Slowenien und Kroatien für ein spezifisches Abkommen zur Übernahme von Dublin-Flüchtlingen gewinnen können. (TT.com/APA)

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