,,Zama“: Ein lächerlicher Bürokrat am Rande der Welt
Lucrecia Martel erzählt in ihrer Romanverfilmung „Zama“ von den Deformierungen der Menschen im spanischen Kolonialsystem.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Wenn in einem Film ein Mann mit Dreispitz, die Hand am Degen, die Stiefel von zarten Wellen umspült, den Blick über das offene Meer schweifen lässt, können wir davon ausgehen, dass ihn die Sehnsucht nach neuen Ufern, nach Eroberung antreibt, oder schon die Ahnung eines nahenden Untergangs beschleicht, da er längst am Ende der Welt angekommen ist.
Vom Gekicher badender Frauen angelockt, sucht der Mann ein sicheres Versteck, um sich dem Anblick der üppigen Körper hingeben zu können. Umsonst, der Voyeur wird verjagt, derart lächerliche Szenen sprechen sich in einem Dorf schnell herum, untergraben eine ohnehin längst beschädigte Autorität. Aber das liegt nicht allein an Don Diego de Zama (Daniel Giménez Cacho), der zweifellos einmal als Beamter des spanischen Königs mit einer glanzvollen Karriere rechnen konnte. Stattdessen sitzt er seit Jahren in der Provinz fest, hat seit einem Jahr keinen Lohn mehr erhalten. Er wird von den wechselnden Gouverneuren, die mit Leichtigkeit bessere Posten ergattern, schikaniert und vertröstet.
Ein Bittgesuch um Versetzung könnte nützen, zugleich aber mehr schaden, denn der Gouverneur müsste in diesem Schreiben auch Zamas Charaktereigenschaften erwähnen, die nicht gerade ein günstiges Licht auf den Untertan werfen. Andererseits liest der König nie ein erstes Gesuch, sondern immer erst das zweite, zwischen beiden Eingaben hat eine Frist von zwei Jahren zu liegen. Es sind diese verschlungenen Pfade der Bürokratie, an denen bereits Josef K. gescheitert ist. Mit dieser Form der Willkür ist Zama allerdings vertraut. Als Richter biegt er mit verstaubter Perücke bei Besitzansprüchen Recht und Moral zugunsten der spanischen Siedler und zum Nachteil der ursprünglichen Eigentümer, die als Sklaven ausgebeutetet werden. Arbeitskräfte waren der einzige Rohstoff, den Argentinien den Eroberern bieten konnte. Allerdings sind die Tage der Feudalherrschaft gezählt, die indigene Bevölkerung beginnt sich mit Aufständen zu wehren.
Nach einer neunjährigen Pause vom Kino kehrt die argentinische Regisseurin Lucrecia Martel nun mit einer Adaption des 1956 erschienenen Romans „Zama“ von Antonio de Benedetto zurück. Während der königliche Beamte im Roman (deutsch: „Zama wartet“ bei Manesse) als Ich-Erzähler sein Scheitern nicht wahrnehmen möchte, zeigt Martel die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, die einen Menschen bis zur Unkenntlichkeit deformieren.
Ende des 18. Jahrhunderts ist Südamerika zu einem „Herz der Finsternis“, zu einer Hölle geworden, in der sich Zama mal als Strafgefangener, mal als Aufseher verloren hat. Als Teilnehmer einer Expedition möchte er dem König einen Beweis seiner Treue liefern. Mit der Gefangennahme der berüchtigten Bande von Vicuña Porto (Matheus Nachtergaele) könnte sich das Blatt wenden.
Lucrecia Martel inszeniert diese allegorische Reise auch als Expedition in Zamas Psyche. Viel zu spät erkennt der Untertan die Ironie des Unternehmens, das mit der Eroberung des Kontinents begonnen und für Eroberer wie Eroberte in die Katastrophe geführt hat. Aber Zama ist nicht nach großem Gelächter, das solchen Erkenntnissen folgt. Eldorado war eine Illusion, die nur noch für die Rechtfertigung des Grauens herhalten musste.