Kurz im EU-Parlament: Stopp illegaler Migration Hauptanliegen
Der Schutz der Außengrenzen sei Grundvoraussetzung, um das „Jahrhundertprojekt eines grenzfreien Schengenraums weiter bewahren zu können“, sagte Österreichs Kanzler zum Start der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs. Die Reaktionen auf seinen Auftritt fielen gemischt aus.
Straßburg – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat den Kampf gegen illegale Migration als ein Hauptanliegen des österreichischen Ratsvorsitzes bezeichnet. Die Migrationskrise habe zu großen Verunsicherungen unter den Menschen in Europa geführt und ihr Vertrauen „in unsere Fähigkeiten, Schutz zu bieten, zutiefst erschüttert“, sagte er am Dienstag im Europaparlament. Die Reaktionen fielen gemischt aus.
Kurz gab in seiner Rede ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union ab. Europa sei „unsere Zukunft“ und es gebe „in dieser Union mehr, das uns eint, als das uns je trennen könnte“, betonte er. Daher müsse Sicherheit in Europa und Schutz der europäischen Bevölkerung „unsere oberste Priorität sein“. Essenziell sei, dass es zu einem Paradigmenwechsel in der europäischen Migrationspolitik komme. Der Schutz der Außengrenzen sei Grundvoraussetzung, um das „Jahrhundertprojekt eines grenzfreien Schengenraums weiter bewahren zu können“. Der EU-Gipfel zuletzt habe einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gesetzt.
Sicherung des Wohlstands und Digitalisierung
Zweiter wesentlicher Punkt des österreichischen Ratsvorsitzes sei die Sicherung des Wohlstands und Digitalisierung. Hier müsse Europa seine Chancen nützen. „Wir haben in den letzten 20 Jahren wohl so manches verschlafen“, so Kurz. Ein „echter Neuanfang“ sei notwendig, wenn europäische Unternehmen künftig noch eine Rolle am Weltmarkt spielen sollen. Nur wenn es vermehrt „High Tech Made in Europe“ gibt, könne man auch nachhaltig Jobs sichern und den Wohlstand erhalten.
Wichtig sei aber auch die Besteuerung des digitalen Sektors. Steuerausfälle und Steuervermeidung müssten ausgeschlossen werden, um Nachteile für die traditionelle Wirtschaft abzustellen. Gewinne seien in dem Land zu besteuern, in dem sie erwirtschaftet werden. Ziel sei eine globale Lösung mit Einführung einer digitalen Betriebsstätte. Dieses Anliegen wolle Österreich vorantreiben. Die EU sollte hier eine Vorreiterrolle einnehmen und eine Übergangslösung durch die Ausgleichssteuer anstreben.
Fokus auch auf den Westbalkan
Der dritte Schwerpunkt betreffe den Westbalkan und die Stabilität in der Nachbarschaft. „Ein Europa das schützt“ ende nicht an den Außengrenzen der EU, so Kurz. Gerade die Migrationskrise habe wieder bewiesen, dass der Westbalkan nicht nur integraler Teil Europas sei, sondern auch integraler Teil unserer Sicherheitsarchitektur. Die Lösung des Namensstreits zwischen Griechenland und Nord-Mazedonien sei ein bedeutendes, ermutigendes Zeichen. Er sei froh über die Einigung, grundsätzlich grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien zu geben. „Auch wenn wir Österreicher uns hier noch deutlichere Signale gewünscht hätten“.
Auch die Zusammenarbeit mit Afrika müsse über den EU-Außengrenzschutz hinausgehen. Zur Sicherheit und Wohlstand in Afrika beizutagen, „ist nicht nur unsere moralische Verpflichtung, sondern auch ein wichtiger Schritt zur Ursachenbekämpfung in der Migrationskrise“.
Zum Brexit stellte Kurz fest, Europa dürfe sich nicht spalten lassen. Es gehe um einen geordneten Austritt, ohne ein Rosinenpicken zu erlauben. Und es müsse danach einen guten Kontakt zu London geben. Bei den Verhandlungen zum nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmen 2021-2027 forderte Kurz „Europäische Lösungskapazität“. Die Positionen lägen hier „noch weit auseinander“. Zentral werde es sein, einander mit Respekt zu begegnen. Es dürfe keine Mitgliedschaft erster und zweiter Klasse geben.
Juncker „freut sich“ auf Österreichs Vorsitz
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bescheinigte dem Kanzler, „von europäischen Überzeugungen getragen“ zu sein. „Ich freue mich auf den österreichischen Vorsitz“, so Juncker, „weil die beiden vorherigen (Präsidentschaften, Anm.) von Erfolg gekrönt waren. Alle relevanten politischen Kräfte in Österreich sind in die selbe Richtung geschwommen und haben sich kohärent bewegt“. EVP-Fraktionschef Manfred Weber bezeichnete Österreich als „starkes und großes europäisches Land“ und forderte unter anderem beim Thema Eurozone „Brückenbauen“ von Wien.
Kritik aus linkem und liberalem Lager
Aus dem linken und liberalen Lager gab es hingegen Kritik an der Rolle Österreichs in Europa. Der sozialdemokratische Fraktionschef Udo Bullmann kritisierte die jüngste Grenzübung mit „700 Bewaffneten“ an der österreichisch-slowenischen Grenze. Diese Entwicklung sei abzulehnen, „das ist nach das Europa das wir wollen.“ Liberalen-Fraktionschef Guy Verhofstadt vermisste konkrete Ansagen zur Eurozonenreform. „Das Problem in Europa ist, dass das Einzige worauf sich alle einigen, ist, dass die Flüchtlinge nicht im eigenen Land sein sollen“, kritisierte Verhofstadt. „Österreich spielt foul“, meinte die Grüne EU-Abgeordnete Ska Keller.
ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas mahnte den Kanzler, „jedem Alleingang, jeder nationalistischen, populistischen, egoistischen Antwort auf unsere gemeinsamen europäischen und globalen Herausforderungen eine Absage“ zu erteilen. „Geben Sie der Idee Europas im Rat ihre Seele zurück“, sagte Karas. Seine SPÖ-Kollegin Evelyn Regner beklagte, dass es vonseiten der FPÖ, der AfD und der CSU Applaus für das „dürftige Programm“ des österreichischen Ratsvorsitzes gebe. Kurz habe in den letzten Monaten gezeigt, dass er und seine schwarz-blaue Regierung keine Freunde Europas seien, „da helfen auch keine salbungsvollen Worte im Plenum des Europaparlaments“, meinte die Grüne Monika Vana.
FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky kritisierte hingegen die „linken Fraktionen“, die „sogar die Übernahme der Ratspräsidentschaft für billige Polemik“ nutzen würden. Österreich sei ein kleines Land, aber immer eine Drehscheibe und stets eine Stätte der Begegnung gewesen. Die aktuelle Situation in der EU sei „nachweislich nicht die Beste“, so Vilimsky. Österreich wolle ein weniger an Kooperation, dafür diese effizienter. Die Subsidiarität müsse gestärkt werden. Auch habe Europa einen „falschen Weg im Umgang mit den USA und Russland eingeschlagen, indem es „den einen Präsidenten ins Klamaukhafte rücke und den anderen mit Sanktionen belaste.“ (APA)