Kinderbetreuung in Tirol: Zehn Einrichtungen 12 Stunden offen
Der Ausbau der Tiroler Kinderbetreuungseinrichtungen steht auf der Kippe, denn der Bund könnte seine Förderungen kürzen. Nun muss verhandelt werden.
Von Brigitte Warenski
Innsbruck, Wien –In der 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern ist geregelt, wie viel der Bund zum Ausbau der Kindergärten und der sprachlichen Frühförderung beiträgt. Im vergangenen Jahr flossen 9,3 Millionen Euro nach Tirol, doch nun läuft im August diese Vereinbarung aus.
Wie es weitergeht, ist noch unklar, denn eine Nachfolgevereinbarung ist nicht fixiert. „Im Augenblick sind weitere Verhandlungen für die Sprachförderung, den Gratiskindergarten sowie den Ausbau der Kinderbetreuung mit dem Ministerium geplant. Unser Ziel ist es, den erfolgreichen Weg zur Unterstützung von Familien in Tirol fortzusetzen – dafür brauchen wir aber auch die finanzielle Absicherung von Seiten des Bundes“, heißt es in einer Stellungnahme des Landes Tirol.
Stephanie Jicha, Bildungssprecherin der Tiroler Grünen, spart nicht mit Kritik an der – wie sie erwartet – geplanten Kürzung der Bundesgelder. „Die Bundesregierung fährt zum wiederholten Male über die Bundesländer drüber. Da ist keine Verlässlichkeit und auch keine Kooperation.“ Gerade im Zusammenhang mit dem 12-Stunden-Arbeitstag, den die Grünen vehement ablehnen, müsse der Ausbau der Kinderbetreuung eigentlich zusätzliche Priorität erfahren. „Die Bundesregierung zwingt den Menschen Flexibilität auf, ist aber gleichzeitig nicht bereit, die Infrastruktur dafür zur Verfügung zustellen“, so Jicha. Die Folgen seien gerade für Frauen fatal. „Für Frauen mit Kindern wird es so immer schwieriger, Vollzeit zu arbeiten. Wie soll sie das schaffen: 12 Stunden flexibel zu Verfügung stehen, wenn es gleichzeitig keine Kinderbetreuungseinrichtung gibt, die so lange offen hat.“
Wie schwierig es für Eltern in Tirol sein wird, einen 12-Stunden-Tag zu meistern, zeigt die Zahl der Einrichtungen in Tirol, die im Jahr 2017/18 zwölf Stunden oder länger geöffnet hatten. Die offizielle Liste des Landes Tirols umfasst tirolweit lediglich zehn Kinderbetreuungseinrichtungen, wobei in diesen zehn auch nicht alle Gruppen diese langen Öffnungszeiten haben. Eine Mutter, die nicht genannt werden will, beklagt zudem, dass z. B. in ihrer Gemeinde der Kindergarten bisher bis 16.30 Uhr geöffnet hatte. Aufgrund der geringen Nachfrage wurde sie nun informiert, dass im nächsten Kindergartenjahr die Öffnungszeiten auf 14 Uhr zurückgeschraubt werden. „Das ist ein Wahnsinn für mich als arbeitende Mutter. Vom 12-Stunden-Tag brauch ich gar nicht erst zu reden, ich kann ja nicht einmal mehr die Normalarbeitszeit von 40 Stunden bewältigen, wenn ich keine Alternative für meine Kinder finde“, so die verzweifelte Mutter. Wie schwierig die Situation bereits jetzt schon ist, weiß Tirols ÖGB-Vorsitzender Philip Wohlgemuth: „Vor allem Frauen sind jetzt schon gezwungen, aufgrund fehlender Kinderbetreuung Teilzeit zu arbeiten. Eltern werden sich künftig darauf einstellen müssen, dass ihre private Situation bereits beim Vorstellungsgespräch Thema ist.“
Eine Berufsgruppe, die bisher in der Diskussion um das neue Arbeitszeitgesetz kaum wahrgenommen wurde, könnte es besonders hart treffen. Bisher waren nur leitende Angestellte der ersten und zweiten Führungsebene wie Geschäftsführer oder Prokuristen vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen, was bedeutet, „dass für sie der Schutzmechanismus des Arbeitszeitgesetzes nicht gegolten hat“, erklärt Marc Deiser, Rechtsschutzsekretär des ÖGB Tirol. Ab September gibt es auch bei Angestellten in der dritten Führungsebene (wie Filialleiter einer Supermarktniederlassung) keine gesetzlich geregelten Maximalarbeitszeiten. Besteht Notwendigkeit, können in Zukunft diese Arbeitnehmer „freiwillig“ z. B. zu 16-Stunden-Tagen herangezogen werden. Eine Neuregelung, die viele treffen wird und, wie Deiser meint, „auch in dem einen oder anderen Fall den Obersten Gerichtshof beschäftigen wird“. Und auch diese 3. Führungsebene braucht Betreuungseinrichtungen: 12 Stunden reichen im Einzelfall hier nicht aus. Gibt es keine Verwandten, die die Betreuung übernehmen können, dann muss ein (Klein-)Kind im schlimmsten Fall in einer Einrichtung abgegeben werden, die rund um die Uhr geöffnet hat.