Eu-Vorsitz

Hauptthema Brexit: Kurz zu Besuch auf Britischen Inseln

Bundeskanzler Sebastian Kurz.
© TT/Hammerle

Für Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz steht heute Abend in Dublin ein Treffen mit dem irischen Premier Varadkar auf dem Programm. Für Montag ist ein Gespräch mit der britischen Premierministerin Theresa May geplant.

Wien, Dublin, London – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beginnt am heutigen Sonntag einen dreitägigen Besuch auf den Britischen Inseln. Am Abend trifft er in Dublin mit seinem irischen Amtskollegen Leo Varadkar zusammen, für Montag ist ein Gespräch mit der britischen Premierministerin Theresa May geplant. Hauptthema der Reise ist der Brexit. Am Dienstag nimmt Kurz zudem in London an einer Westbalkan-Konferenz teil.

Im Vorfeld der Reise bezeichnete Kurz den für März 2019 geplanten britischen EU-Austritt als „eines der wichtigsten Themen, das uns während unseres Ratsvorsitzes beschäftigen wird“. Wichtig sei, dass die Europäische Union in dieser Frage „weiterhin geeint auftritt und Chefverhandler Michel Barnier unterstützt“, betonte er nach Angaben des Bundeskanzleramtes. Es müsse alles daran gesetzt werden, „einen harten Brexit zu vermeiden“, denn dieser würde „zu chaotischen Zuständen führen, unter denen beide Seiten leiden würden“, so der Bundeskanzler. „Auch die irische Frage muss im Zuge dessen gelöst werden zur Vermeidung von möglichen Spannungen in Nordirland“, worüber er mit Varadkar und May sprechen werde. Kurz will am Montagvormittag auch die irisch-nordirische Grenzregion besuchen.

„Hard Brexit“ vermeiden

Beim Besuch der EU-Kommission in Wien am Freitag anlässlich des österreichischen EU-Ratsvorsitzes in diesem Halbjahr zeigte sich der Bundeskanzler trotz Verzögerungen bei den Brexit-Verhandlungen zuversichtlich. Es „gibt noch genug Zeit, die auch genutzt werden soll“, sagte er. Sollte es zu keiner fristgerechten Einigung kommen, sollten „wir alles tun, um einen ‚hard Brexit‘ zu vermeiden“. Gegenüber ausländischen Journalisten in Wien schloss Kurz laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Donnerstag auch nicht aus, dass die Verhandlungen im Notfall verlängert werden könnten.

Die Zeit drängt

Die Brexit-Verhandlungen treten unter österreichischer EU-Ratspräsidentschaft in die heiße Phase. Bis Herbst soll der Austrittsvertrag mit Großbritannien fertig verhandelt sein, damit er zeitgerecht von beiden Seiten ratifiziert werden kann. Großbritannien soll bereits am 29. März 2019 aus der Europäischen Union ausscheiden. Die Zeit drängt also, wie besonders EU-Vertreter immer wieder unterstrichen haben.

Die in der Frage des Brexit bisher höchst uneinige britische Regierung verständigte sich am Freitag laut May auf eine „gemeinsame Position“ für die künftigen Beziehungen zur EU. Angestrebt wird nun unter anderem eine „Freihandelszone“ mit der Europäischen Union, wie die Premierministerin nach einer rund zwölfstündigen Klausursitzung ihres Kabinetts auf dem Landsitz Chequers bekannt gab.

Großbritannien will demnach hinsichtlich des Warenverkehrs auch nach dem Austritt aus der EU weiterhin eng an den europäischen Binnenmarkt gebunden bleiben. Damit soll verhindert werden, dass der grenzüberschreitende Handel und Lieferketten zwischen Großbritannien und dem Kontinent beeinträchtigt werden. Sichergestellt werden soll das durch ein „gemeinsames Regelbuch“, in dem London EU-Vorschriften und Produktstandards übernimmt.

Die anderen drei Freiheiten – Kapital, Arbeitskräfte und Dienstleistungen – sollen aber Beschränkungen unterworfen werden. Damit wollen die Briten die ungehinderte Einreise von EU-Bürgern stoppen und im Dienstleistungssektor eigene Wege gehen. Sie nehmen dabei in Kauf, dass Banken und Versicherungen keinen uneingeschränkten Zugang mehr zum EU-Binnenmarkt haben. Fraglich ist, ob sich Brüssel darauf einlassen wird. Bisher hat sich die EU auf den Standpunkt gestellt, dass die vier Freiheiten des Binnenmarkts nicht einzeln verhandelbar sind.

Austritt aus Zollunion

Aus der Zollunion will London den Angaben zufolge weiterhin austreten, damit das Land eigene Handelsabkommen mit Drittstaaten schließen kann. Um trotzdem Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu vermeiden, will Großbritannien für Importe aus Drittländern zwei verschiedene Zollsätze erheben: einen für Waren, die für den europäischen Markt bestimmt sind, und einen anderen für Güter, die in Großbritannien verkauft werden sollen. Auch das könnte in Brüssel auf Skepsis stoßen.

EU-Chefunterhändler Barnier kündigte in einer ersten Reaktion am späten Freitagabend via Twitter an, die Vorschläge daraufhin zu prüfen, ob sie „umsetzbar und realistisch“ hinsichtlich der Verhandlungsrichtlinien der EU-Kommission seien. Er freue sich auf die detaillierten Pläne. Die britische Regierung will nächste Woche ein „Weißbuch“ zur ihrer Position für die Gespräche mit der EU veröffentlichen. „Wir alle müssen jetzt Tempo machen, um unseren Vorschlag mit der EU zu verhandeln“, sagte May.

Das Treffen des Bundeskanzlers mit seiner britischen Amtskollegin in London am Montag ist für 17.00 Uhr Ortszeit (18.00 Uhr MESZ) angesetzt. Am Dienstag will Kurz in der britischen Hauptstadt an einer Westbalkan-Konferenz im Rahmen des „Berlin-Prozesses“ teilnehmen. Der „Berlin-Prozess“ wurde von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel 2014 ins Leben gerufen, um den Westbalkan-Staaten ein positives Signal hinsichtlich der Erweiterungsperspektive zu senden. Nach dem ersten Westbalkan-Gipfel in Berlin (2014) fanden Treffen in Wien (2015) sowie in Paris (2016) und zuletzt 2017 in Triest statt.

Die Annäherung der Westbalkan-Staaten an die EU sei „eine sehr wichtige Priorität unseres Ratsvorsitzes und liegt in unserem ureigensten Interesse“, hielt Kurz vor der Reise fest. Gerade die Aussicht auf Beitrittsverhandlungen mit der EU und einen möglichen Beitritt biete „den notwendigen Anreiz für Reformen, den Kampf gegen Korruption sowie die Aussöhnung unter den Staaten des Westbalkans“. Der Gipfel im Rahmen des „Berlin-Prozesses“ diene dazu, „die Westbalkan-Staaten bei ihren Reformen zu unterstützen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, etwa in Bereichen wie Verkehr oder Energie, zu fördern“.

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