Schauspiel der Gefühle am Lech
Das aktuelle Stück „Lechufer, anno 1800“ auf der Geierwally-Freilichtbühne in Elbigenalp begeistert die Besucher. Bis Ende August wird jeden Freitag und Samstag gespielt.
Von Joe Wildanger
Elbigenalp –Zum 25-Jahr-Jubiläum der Geierwally-Freilichtspiele bringen die Autoren Christof Kammerlander und Bernhard Wolf ein mitreißendes Stück auf die imposante Bühne am Eingang zur Schlucht ins Bernhardstal. Regisseur Hubert Spieß war, wie er selbst sagt, begeistert von der Idee, ein historisches Ereignis – die Besetzung des Lechtals durch die napoleonischen Truppen – mit einer fiktiven Liebesgeschichte zu verbinden. Das Besondere dabei ist die heilvolle Sprache der Musik, die die Liebe zwischen dem jungen Jakob (Elias Walch) und seiner Klara (Celina Perl) am Leben erhält und die Bewohner des kleinen Dorfes vor Schlimmerem bewahrt. Im Kern ist die Geschichte wahr. Die napoleonische Armee dringt ins Lechtal vor und teilt für Monate das Tal mit dem Lech als natürliche Grenze. Für ein kleines Dorf bedeutet das auch die Trennung des Dorflebens – die eine Hälfte liegt im französischen Besatzungsgebiet und die andere auf Habsburger Boden.
Bernhard Singer, der Obmann der Geierwally-Freilichtbühne, steht kurz vor der Aufführung auf dem Balkon der Adlerloge und blickt zufrieden hinab auf den bis auf den letzten Platz gefüllten Zuschauerraum. Standing Ovations schon bei der Premiere in der Vorwoche und ein unerwartet starker Kartenvorverkauf lassen ihn wissen: Das Stück, bei dem er selbst mitspielt, spricht die Menschen an. Es hat sich also gelohnt, das gewohnte Terrain des Sprechtheaters zu verlassen und etwas zu tun, das man sich bislang so nicht getraut hatte. Möglich machten diesen mutigen Schritt drei junge Lechtaler, denen die Musik buchstäblich in die Wiege gelegt wurde. Celina Perl und Elias Walch berühren mit ihren schönen Stimmen die Herzen der Zuschauer, und wenn der „Naz“ (Christof Kammerlander) seine raue Schale durchbricht und zur Gitarre greift, um sein „Madle“ in seinem unendlichen Leid zu trösten, spürt der Zuschauer etwas, das man nicht spielen kann, nämlich viel, viel Gefühl.
„Lechufer, anno 1800“ ist aber auch ein Schauspiel der Gegensätze und lebt von einem Ensemble begabter und motivierter Theaterspielerinnen und Theaterspieler, die die Polarität der Charaktere, Talente und Bedingtheiten der Menschen in dieser geteilten Dorfgemeinschaft treffend zum Ausdruck bringen. Nicht weniger kontrastreich haben die Bildhauer Ernst Schnöller, Hella und Michael Bachnetzer aus 17 Kubikmetern weichem Fichtenholz ein vom Lech geteiltes Dorf mit zwei Bauernstuben geschaffen und in den über Jahrmillionen gehärteten Felsen fest verankert. Auf einer hölzernen Brücke, dort wo die Geschichte ihren Anfang nimmt, endet schließlich musikalisch die dramatische Liebesgeschichte im dumpfen Licht der Nebelschwaden. Der anhaltende Applaus gilt wirklich allen: der unschuldigen, erst neunjährigen Klara (Frida Kammerlander) ebenso wie dem „gottlosen, verfluchten Franzosen“. Ein Erlebnis!
Karten für das Lechtaler Meisterstück und die dazugehörige Sonderausstellung in der Wunderkammer sind unter www.geierwally.at erhältlich. Gespielt wird immer Freitag- und Samstagabend um 20.30 Uhr.