Stadtbauern zwischen „Killerkuh“ und Bike-Trail
Allzu viele Landwirte gibt es in Innsbruck nicht mehr. Die Verbliebenen, darunter zwei Nebenerwerbsbauern in Hötting, orten teils mangelnde Wertschätzung, mediale Verkürzungen – und Probleme mit Downhill-Bikern.
Von Markus Stegmayr
Innsbruck –In den letzten Jahren und Monaten sind Landwirte immer wieder in die Schlagzeilen geraten – sei es wegen Kuhangriffen auf Wanderer oder Glyphosat-Einsatz. Dass das am Image der Landwirte kratzt, merken auch ein Höttinger Landwirt, dessen Schwager und seine Frau. Alle drei wollen vor allem aufgrund ihrer Brotberufe in Angestelltenverhältnissen anonym bleiben. Beide Bauern betreiben ihre Landwirtschaft nämlich nicht im Vollerwerb, einer der beiden gar nur neben einem Ganztagesjob. Voll zu spüren bekommen sie dennoch den Wandel im Bewusstsein der Stadtbevölkerung, die oft wenig Verständnis und Wissen in Bezug auf den bäuerlichen Beruf mitbringt.
Probleme sind dabei schnell benannt. „Mittlerweile sind es wirkliche Massen an Leuten, die mit Kopfhörern herumlaufen, oft Zäune umwerfen und nicht wirklich aufpassen“, diagnostiziert die Frau des ersten Landwirts. Auch fotowütige Instagrammer werden kritisch beäugt. „Man muss nur einmal schauen, wie viele Bilder von Kühen dort gepostet werden“, meint der zweite Landwirt. Die Kuh sei ein Herdentier, das auf die Kälber aufpasse und Hunde potenziell als Bedrohung ansehe – und kein Kuscheltier. Von etwaigen „Killerkühen“ weiß jedenfalls keiner der drei etwas. Im Gegenteil: Jede Kuh habe ihren eigenen Charakter, eine generelle Verteufelung der in die Schlagzeilen geratenen Mutterkühe sei strikt abzulehnen.
Eher schon plädiert man dafür, dass es mehr Aufklärung in der Bevölkerung geben müsse – oder etwa ein Hundeführerschein kommen solle. Doch damit wäre es nicht getan. Denn selbst dann gebe es immer noch die Problematik von Downhill-Trails und Downhill-Bikern. Diese würden zum Teil „überall herumfahren“, meint einer der Landwirte, während der andere salopp feststellt, dass die „Downhiller offenbar wichtiger sind als die Kühe“ und man von öffentlicher Seite folglich auch mehr in die Trails als in die Bauern investiere. An ein besonders ärgerliches Erlebnis erinnert sich in einem ähnlichen Kontext auch die Frau des Landwirts: „In der Zeit, als ein Festival auf der Seegrube stattfand, wurde das Wasser für die Kühe in der Nähe einfach abgeschaltet.“
Innsbruck produziere offenbar lieber Bilder von Downhillfahrten und vermarkte die Stadt insgesamt als trendig, cool und weltstädtisch, diagnostiziert man unisono. „Es wirkt fast so, als wären wir Bauern lästig“, sagt die Frau des Landwirts. Zugleich locke man aber auch Touristen mit Bildern von grünen Feldern her. „Eines Tages registriert dann aber der Tourismus auch, wenn die Bauern fehlen, die diese Felder bewirtschaften“, meint der zweite Landwirt. „Die Flächen werden dann an diverse Bauträger verkauft“, glaubt der erste Bauer. „Irgendwann ist somit in ein paar Jahrzehnten, wenn immer mehr Bauern aufgrund von ausbleibenden Förderungen, überbordender Bürokratie oder mangelnder Wertschätzung aufhören und alles zugebaut wird“, beschreibt seine Frau ein Zukunftsszenario ohne Stadtbauern.
Doch noch sieht man nicht alles verloren an. Gerade das urbane Umfeld bringe auch Vorteile. Vor allem auch junge Klientel komme, schaue, wie vor Ort produziert werde und kaufe dann auch. Der Trend zum regionalen, bäuerlichen Produkt sei also zweifellos da. Jetzt müsse nur noch mehr von Seiten der Entscheidungsträger in Politik & Co. getan werden, damit es in Zukunft noch solche bäuerlichen Produkte gebe, betont man.
Funktionierende Projekte, die von der städtischen Bevölkerung angenommen werden, gebe es jedenfalls, etwa den eigenen Hofladen oder den Automaten in der nahe gelegenen Schneeburggasse. Und ganz so schwarz sieht man die Sache mit den Instagrammern, Hundehaltern und Downhill-Enthusiasten dann doch nicht. Es gehe letzten Endes um Respekt voreinander und um ein gutes Miteinander.
Die Probleme bleiben aber. Der in den Augen der Landwirte unberechtigte Neid auf die bäuerlichen Pächter und Bewirtschafter der Grünflächen auch. Aufgeben möchte dennoch keiner. Es gebe sogar potenzielle Nachfolger in der kommenden Generation.