ÖSV-Skisprung-Chef Felder: „Alles ist ein bisserl unsozialer“
Andreas Felder sieht manche gesellschaftliche Entwicklungen kritisch. Beim Ausflug ins Halltal steckt das Handy des Skisprung-Cheftrainers tief im Rucksack und im offenen Gespräch verrät er, warum das so ist.
Menschen aus dem Sport zeigen uns ihr „liabstes“ Platzl in Tirol. Diesmal: Unterwegs mit Skisprung-Cheftrainer Andreas Felder im Halltal
Von Susann Frank
Absam – Schon bei den ersten Schritten zum Eingang des Halltals in Absam schwelgt Andreas Felder in Erinnerungen. „In meiner Jugend war das für uns Burschen ein Abenteuerspielplatz. Hier haben wir Räuber und Gendarm gespielt, sind mit Seilen an den Bäumen wie Tarzan hin- und hergeschwungen“, erklärt Österreichs Skisprung-Cheftrainer. Später, als Schüler des Schigymnasiums Stams, war es das Ausdauertrainingsgebiet des gebürtigen Absamers. „Schließlich mussten wir die Schanzen noch zu Fuß raufgehen“, erinnert sich der 56-Jährige und zeigt auf die einzelnen Bergspitzen, die er alle mit Namen kennt.
Das Refugium, in dem er die Grundsteine für seine erfolgreiche Skisprungkarriere mit 25 Weltcupsiegen gelegt hatte, ist durch seine Vertrautheit mittlerweile sein Rückzugsgebiet. In hektischen und schwierigen Zeiten. Sobald er die steil heraufragenden Bettelwurfwände sehe, sei er entspannt. Und wie jeder Mensch hat auch er tristere Tage hinter sich.
Über die Gründe seines Wechsels nach Deutschland als Coach für die Nordische Kombination nach seiner ersten Periode als Skisprung-Cheftrainer 1995 bis 1997 mag Felder zum Beispiel nicht mehr reden. Das sei Geschichte und er wolle ja eine neue schreiben, und zwar mit der aktuellen Mannschaft.
Dafür hat er seit seinem Amtsantritt im April im Team für einige Veränderungen gesorgt. Die vielen Co-Trainer von seinem zuletzt erfolglosen Vorgänger Heinz Kuttin wurden abgeschafft, Frühsport wurde eingeführt. Ein neuer Physiotherapeut und seine zwei Co-Trainer Florian Schabereiter und Florian Liegl sollen für frischen Wind sorgen und das Umlernen auf eine modernere Skisprung-Technik für Aufwind im kommenden Winter. Während Felder die Neuerungen erklärt, hebt er immer wieder die Hand zum Gruß. Die heimischen Passanten bleiben auf einen kurzen Ratscher beim bekannten Tiroler stehen.
Sowohl im Sommer als auch im Winter ist Felder hier unterwegs. Nach seinem Umzug nach Omes nimmt der zweifache Famlienvater dafür auch die Anfahrt in Kauf. „Das ist hier ja auch ein Freeride-Paradies“, erklärt der ausgebildete Bergführer, der mit seinem speziellen Motto mit den Skispringern wieder an die Spitze stürmen will: „Eine ganze Mannschaft unter einen Hut zu bringen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das Wichtigste ist, dass jeder gut springt“, erklärt Felder. Jeder könne sich bei ihm entfalten, denn der Sportler gehöre ja nicht ihm. Nur Einzelkämpfer, die von verschiedensten Trainern gecoacht werden, wolle er nicht. „Es ist mir wichtig, dass im täglichen Zusammensein respektvoll miteinander umgegangen wird“, betont Felder und fügt hinzu: „Heute ist doch alles ein bisschen unsozialer geworden.“
Schuld daran ist seiner Meinung nach auch das Handy, weswegen er auf einen verbalen Austausch explizit Wert lege: „Wir setzen uns immer wieder zusammen und nennen die Dinge beim Namen, bevor sie hochkochen können.“
Er selbst muss erst tief im Rucksack kramen, um ein Foto auf dem Handy zeigen zu können, während er an einem Tisch auf der St.-Magdalena-Hütte Platz nimmt und freudig vom Hüttenwirt begrüßt wird. Nachdem die beiden ein paar Sätze gewechselt haben, sagt der Weltmeister von 1987, dass seine Freundschaft zu Ernst Vettori ihn vor allem in schwierigen Zeiten als Springer nach vorne gebracht hätte. „Da haben wir am meisten voneinander profitiert.“
Während Vettori kurz vor seinem Amtsantritt den Job als Sportdirektor nordisch beim ÖSV an den Nagel gehängt hatte, übernahm Felder ein Jahr vor der Heim-WM das krisengebeutelte Team. „Seefeld 2019, das ist etwas sehr Emotionales. Und ich werde alles dransetzen, dass wir da eine Medaille gewinnen.“ Angst vor dem Scheitern habe er keine, weil er sein Bestes gibt. „Ich arbeite gerne für den ÖSV“, betont er. Die immer wiederkehrende Kritik am erfolgreichen Verband und seinen Spitzenfunktionären, der den Sportlern so viel biete, kann er nicht nachvollziehen.
„Ich bin für Österreich gesprungen und bin Tiroler. Ich glaube nicht, dass es viel schönere Orte als Tirol zum Arbeiten geben wird.“ Und bei Schwierigkeiten nimmt er sich für ein paar Stunden eine Auszeit im Halltal: „Die Kulisse ist einzigartig. Und ich bin schon öfter einmal mit einer super Idee zurückgekommen, ohne dass ich es vorgehabt hätte.“