Kompetenzverteilung

Bund oder Länder: Wer das Sagen haben soll

Die schwarz-blaue Regierung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) will die Bürokratie abbauen.
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Durch die Entflechtung der Kompetenzverteilung sollen Zuständigkeiten des Bundes und der Länder klar geregelt werden. Große Brocken sind aber noch ungeklärt.

Von Cornelia Ritzer

Wien — „Am System sparen, nicht an den Menschen." Mit diesem Slogan wird im ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm das Kapitel „Bürokratieabbau" eingeleitet. Elf Vorhaben sind aufgelistet, von der bereits angekündigten Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger über die Zusammenlegung von Bundesbehörden und die Flexibilisierung der Arbeitszeit (im Regierungsprogramm als „Win-win für Arbeitgeber und Arbeitnehmer" bezeichnet) bis zum verbindlichen Bürokratieabbau. Aufgelistet ist auch die Abschaffung der im Artikel 12 der Bundesverfassung verankerten Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung — und die sorgt für Diskussionen.

Das Ziel der Bundesregierung ist es wohl, sich durch die neue Aufteilung von Kompetenzen zwischen Bund und Ländern mehr Einfluss zu sichern. Auf die vermeintliche Abkehr vom Föderalismus reagieren die Länder nicht kritiklos. Zwar bekennen sie sich zur so genannten Kompetenzbereinigung — zuletzt im Mai 2018 bei einer Landeshauptleutekonferenz —, doch die Vorgangsweise von Reform- und Justizminister Josef Moser (ÖVP) verärgert. Dieser kündigte über die Medien an, dass Armenwesen (mit Mindestsicherung), Krankenhäuser und Kraftwerke in die Hoheit des Bundes wandern sollen — obwohl für diese Punkte die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vereinbart war. Geregelt sind diese Bereiche im Artikel 12 der Bundesverfassung, der Bund erlässt ein Grundsatzgesetz, das von den Ländern mit Ausführungsgesetzen ausgestaltet wird. Das soll durch die Entflechtung der Zuständigkeiten klar geregelt werden.

Kinder und Jugendhilfe: ÖVP-Minister Moser hat vorgeschlagen, die Kinder- und Jugendhilfe zur Ländersache zu machen. In der erfolgten Begutachtung des Gesetzesvorhabens haben die Länder die vorgeschlagene Kompetenzzuweisung zwar teilweise begrüßt, aber einheitliche und verbindliche Standards gefordert. So hat das Land Tirol in seiner Stellungnahme Mindeststandards vorgeschlagen, die in einer begleitenden Vereinbarung zwischen den Ländern festgelegt werden sollen. ÖVP-Familienministerin Juliane Bogner-Strauß sieht die Verländerung kritisch.

Bezirksgerichte: Eng verwoben mit dem Vorschlag der „Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe sind die Bezirksgerichte. Denn gleichzeitig sollen die Länder ihr Mitspracherecht bei der Zusammenlegung der Bezirksgerichte verlieren. Damit können die Länder die Zusammenlegung von Bezirksgerichten nicht mehr blockieren. Das Land Tirol ist skeptisch und fordert in seiner Stellungnahme ein „verbindliches Bekenntnis des Bundes zu einer grundsätzlichen politischen Vorabstimmung mit den Ländern", falls Änderungen geplant sind.

Mindestsicherung: Der Justizminister will die Gesetzgebung bei der Mindestsicherung künftig beim Bund haben. „Weg von zehn Gesetzen in Richtung ein Gesetz", lautet seine Vorgabe. Allerdings soll es trotzdem möglich sein, auf regionale Unterschiede einzugehen. Spielraum für die Länder forderte bereits Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) wegen der im Westen vergleichsweise hohen Wohnkosten. Das Sozialministerium erarbeitet derzeit ein Gesetz. Bereits im Mai legte die Regierung ihre Pläne für eine neue österreichweite Mindestsicherung vor. Diese sieht einen Deckel von 863 Euro für Einzelpersonen vor.

Krankenhäuser: Ein weiterer großer Brocken sind die Spitäler. Die Zuordnung der Krankenhäuser sollte — wie die Mindestsicherung — eigentlich in einer Arbeitsgruppe gelöst werden, doch laut Mosers Wunsch sollen diese klar dem Bund zugeordnet werden. Die Zuständigkeiten im Gesundheitssystem sind zersplittert. Bei wichtigen Entscheidungen — etwa über Organisation oder Finanzierung — müssen sich die Verantwortlichen untereinander abstimmen.

Verfassungsmehrheit: Im Fall der Kompetenzbereinigung wäre eine Verfassungsmehrheit im Nationalrat sowie im Bundesrat (da es sich um ein Gesetz handelt, das die Kompetenzen der Länder beschneidet) notwendig. Im Nationalrat braucht die Regierung die Unterstützung von NEOS oder SPÖ — im Bundesrat sind Stimmen der SPÖ notwendig. In der Länderkammer hat die SPÖ die Möglichkeit, ein Veto herbeizuführen und die Verfassungsmehrheit (das sind zwei Drittel der Stimmen) zu verhindern. Gestern hat sich die SPÖ verhandlungsbereit gezeigt (siehe Artikel rechts).

Kinderbetreuung: Die Länder kritisieren außerdem den Bundesvorschlag zur Kinderbetreuung. Eine gemeinsame Stellungnahme soll am 30. Juli dem Bund übermittelt werden. Kritik gibt es vor allem an der Kürzung der Mittel um 30 Millionen Euro. Weitere Gespräche sind angekündigt.