Barcelona-Krimi: „Auf der anderen Seite der Ramblas“
Berlin (APA/dpa) - Es fällt schwer, sich in das Barcelona der 1950er-Jahre zurückzuversetzen. Die Stadt war damals so anders als die schöne,...
Berlin (APA/dpa) - Es fällt schwer, sich in das Barcelona der 1950er-Jahre zurückzuversetzen. Die Stadt war damals so anders als die schöne, quirlige Metropole von heute. Unter Franco litt Barcelona ganz besonders, denn man ließ die Bewohner spüren, dass sie im Spanischen Bürgerkrieg auf der falschen Seite gestanden hatten. Alles Katalanische wurde unterdrückt, die Stadt mit harter Hand von Madrid aus regiert.
Eine strenge Zensur erstickte auch noch den kleinsten Ansatz unabhängigen Denkens. Kurzum es war eine bleierne Zeit, die im kollektiven Gedächtnis vieler Katalanen immer noch präsent ist. Genau in dieser düsteren Epoche spielen die Kriminalromane von Rosa Ribas und Sabine Hofmann mit der jungen Journalistin Ana Marti. Schon die beiden Vorgängerromane des deutsch-katalanischen Autorenduos „Das Flüstern der Stadt“ und „Die große Kälte“ waren in ihrer Mischung aus Spannungsliteratur und Gesellschaftsroman sehr gelungen.
Auch in dem abschließenden Buch der Trilogie „Auf der anderen Seite der Ramblas“ wird die Stimmung der Zeit wieder wunderbar eingefangen. Diesmal geht es um den Mord an einem amerikanischen Matrosen und düstere Geheimnisse in einem Heim für „gefallene Mädchen“. Ana Marti, Autorin einer Frauenzeitschrift und eines Boulevardblattes, muss nicht nur ständig die Zensur fürchten, sondern sich auch in einem frauenfeindlichen Klima behaupten.
Dass sie als Reporterin über Mord und Totschlag berichtet, ist sogar ihrer eigenen Familie peinlich. Dabei symbolisieren die Martís eine bürgerliche Elite, die nach dem Sieg Francos tief gestürzt ist: Anas Vater, früher Chefredakteur einer angesehenen Tageszeitung, muss nun Groschenromane schreiben, um sich notdürftig über Wasser zu halten. Ana arbeitet eng mit Inspektor Isidro Castro zusammen. Es ist ein ungleiches Paar. Denn Castro ist ein Macho alten Schlags, der meint, dass Frauen nicht nachdenken müssen, „es reicht, wenn sie ihrem Instinkt folgen“.
Zudem ist Castro Franquist: „Was Menschen brauchten, war eine Hand, die sie führte, eine harte Hand, die dafür sorgte, dass sie nicht auf die schiefe Bahn gerieten, eine feste Hand, die die Abtrünnigen wieder auf den rechten Weg brachte, eine Hand, die Belohnung und Strafe verteilte. Die Hand eines Vaters. Die Hand eines Caudillo.“ Umso schlimmer und demütigender ist es für ihn, dass sein eigener Sohn eines Tages als Kommunist festgenommen wird.
Als der Amerikaner Anthony, Matrose der Sechstens US-Flotte, in einer Kneipe erstochen wird, sieht es zunächst nur nach dem tragischen Ende einer banalen Wirtshausprügelei aus. Doch Castro glaubt, dass Mord dahintersteckt. Seine Untersuchungen gestalten sich aber schwierig, denn das amerikanische Militär lässt sich nur ungern in die Karten schauen. Unterdessen recherchiert Ana für eine Reportage in einer Nähwerkstatt für Mütter unehelicher Kinder. Bald merkt sie, dass es in der ach so barmherzigen Einrichtung nicht mit rechten Dingen zugeht. Eine der jungen Frauen hat sich erhängt. Warum? Die Sache weckt Anas kriminalistische Neugier. Doch natürlich darf sie darüber mal wieder nicht schreiben.
Die beiden Handlungsstränge - so viel sei hier verraten - werden erst ganz am Ende in einem furiosen und überraschenden Finale wieder zusammengeführt. Wer einen wilden Actionthriller sucht, der wird von diesem Buch eher enttäuscht sein. Denn Ribas und Hofmann entwickeln ihre Handlung bedächtig. Ihr Buch ist auch keiner jener Kriminalromane, die sich eher als touristischer Wegweiser durch angesagte Metropolen verstehen.
Das typische Zeit- und Lokalkolorit vermittelt sich vor allem in den komplexen Beziehungen der Menschen untereinander. Das ist authentisch, stimmig und sehr einfühlsam erzählt. Und deshalb ist es ausgesprochen schade, dass diese ungewöhnliche Krimi-Reihe mit der sympathischen Heldin nun nicht mehr fortgesetzt werden soll.
(S E R V I C E - Rosa Ribas und Sabine Hofmann: „Auf der anderen Seite der Ramblas“, Kindler Verlag, 352 Seiten, 20,60 Euro)