Sound of Desperation: Barbara Riegers Roman „Bis ans Ende, Marie“
Wien (APA) - „Fuck Forever“ von den Babyshambles, „Beautiful Boyz“ von Cocorosie oder „Where Is My Mind“ von den Pixies. Diese Songs finden ...
Wien (APA) - „Fuck Forever“ von den Babyshambles, „Beautiful Boyz“ von Cocorosie oder „Where Is My Mind“ von den Pixies. Diese Songs finden sich auf dem von der Autorin persönlich empfohlenen Soundtrack zu dem Roman „Bis ans Ende, Marie“ von Barbara Rieger. Er charakterisiert gut den Hintergrund dieses Debüts, das am Donnerstagabend beim O-Töne-Literaturfestival im Wiener Museumsquartier vorgestellt wird.
Es ist der urbane Sound einer Generation, den die 1982 in Graz geborene und in Wien lebende Absolventin der Leondinger Akademie für Literatur einzufangen versucht. Und das gelingt ihr gar nicht schlecht. Die Ich-Erzählerin entstammt einer gutbürgerlichen Familie, von der sie sich noch nicht wirklich abgenabelt hat. So sind grässliche Familienfeste und Begegnungen mit den Eltern, die ihre Tochter mit Ratschlägen und Pillen auf der vermeintlich sicheren Hauptfahrbahn des geregelten Lebens halten wollen, kurze Unterbrüche einer Geschichte, die sich vor allem im Bekanntenkreis der Protagonistin entwickelt.
Die Psychologiestudentin, die auf das von den Eltern gewünschte Medizinstudium verzichten muss, weil sie kein Blut sehen kann, lebt alleine in der Wohnung ihrer schwer kranken Großmutter, die im Lauf des Romans stirbt. Mit ihrem Ex, dem strebsamen Alexander, den ihre Eltern so gerne als Schwiegersohn gesehen hätten, will sie nichts mehr zu tun haben, der attraktive Studienkollege Dominik will nicht so recht anbeißen. Also bietet die Clique den einzigen Halt. Vor allem aber Marie, die Titelheldin. Marie, die sich nimmt, was sie haben möchte. Und deren Gier nach Leben und Abenteuer noch lange nicht gestillt ist.
Marie ist Kellnerin in einer Bar. Bald wird sie ihre beste Freundin und drängt sich immer mehr in ihre Gedanken. „Ich greife nach dem Telefon, sehe eine Nachricht von Marie, ich will sie nicht lesen, will nicht an sie denken, will nicht wieder mit ihr saufen und tanzen, danebenstehen, wenn sie flirtet, mir ausmalen, wie sie fickt.“ Sie ist so ganz anders als die Erzählerin, die immer wieder neben sich steht und gelegentlich auch den Sinn verliert. „Warum muss ich immer kollabieren, wenn es spannend wird?“, fragt sie sich. Und fürchtet: „Im Leben, denke ich, ist kein Platz mehr für mich frei, jeder Platz schon besetzt.“
Marie jedoch rückt ein bisschen, und da ist plötzlich viel Platz neben ihr, auch bei einem Besuch in ihrem Heimatdorf, auf gemeinsamen Bergwanderungen, in Gesprächen und Kindheitserinnerungen. Die beiden jungen Frauen wachsen zusammen, und geschickt legt die Autorin Fährten, die jeder für sich deuten muss: In der Vorlesung geht es nämlich ausgerechnet um schizophrene Spaltung, um das „Nebeneinander von unabhängigen Vorstellungsgruppen“.
Am Ende gibt es zu Silvester Sekt und Sex und es kommt zu einer furios geschilderten Schlussszene, die auch ein gutes Filmende wäre. Man denkt an „Betty Blue“, die eindringliche Romanverfilmung von Jean-Jacques Beineix, hofft darauf, dass auch die heimischen Filmemacherinnen Riegers Buch in die Hand bekommen, und hört dazu „Paranoid Android“ von Radiohead. Je vous salue, Marie. Aber das ist wieder ein andere Geschichte. Und ein anderer Film.
(S E R V I C E - Barbara Riegers Romandebüt „Bis ans Ende, Marie“, Kremayr & Scheriau, 206 Seiten, 19,90 Euro: Buchpräsentation im Rahmen des Literaturfestivals O-Töne, MuseumsQuartier, Boule-Bahnen: 26.7., 20 Uhr)