Festspiele Erl - Eine Chronologie der Vorwürfe
Erl (APA) - Die Festspiele Erl, 1997 gegründet, sehen sich just zu ihrem 20-jährigen Jubiläum mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert. St...
Erl (APA) - Die Festspiele Erl, 1997 gegründet, sehen sich just zu ihrem 20-jährigen Jubiläum mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert. Standen zunächst anonyme Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe ihres künstlerischen Leiters Gustav Kuhn und „modernen Sklaventums“ im Raum, haben sich am Mittwoch fünf Künstlerinnen in einem offenen Brief an Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner gewandt.
Im Folgenden eine Chronologie der Vorwürfe:
Mitte Februar 2018 veröffentlicht der Blogger Markus Wilhelm auf der Homepage „dietiwag.org“ anonyme Vorwürfe, die von „modernem Sklaventum“ über Verdacht auf Lohndumping bis hin zu sexueller Belästigung unter anderem durch Maestro Kuhn reichen. Die Verantwortlichen der Festspiele Erl weisen die Anschuldigungen aufs Schärfste zurück und kündigen eine Klage gegen Wilhelm an.
26. Februar: Der künstlerische Leiter Gustav Kuhn nimmt erstmals selbst Stellung. Er spricht von „unhaltbaren Anschuldigungen“ und wehrt sich gegen Vorverurteilungen. „Wenn das Gericht zu einem Urteil kommt, dann ist es so. Aber bevor das Gericht nicht zu einem Urteil kommt, ist es so nicht. Das sagt unser Rechtsstaat“, erklärt Kuhn in einem Interview im Ö1-“Kulturjournal“. Im Hinblick auf den Vorwurf eines autoritären Stils meint Kuhn: „Da sollte ich mich auch ein wenig zügeln. Vielleicht das ein oder andere Wort - das nehme ich auf meine Kappe. Ich sollte ein bisschen milder werden.“
28 Februar: Festspielpräsident Haselsteiner kontert den Vorwürfen. Die Anschuldigungen seien eine „Schweinerei erster Ordnung“, sagt Haselsteiner: „Wir sind offensichtlich Opfer einer Verleumdungskampagne.“ Er ortet eine Kampagne und politische Motive dahinter. Offenbar gehe es darum, die ÖVP und Landeshauptmann Günther Platter knapp vor der Tiroler Landtagswahl zu treffen. Die Festspiele dienten als „Instrument“ dafür. Die Vorwürfe von angeblichem Lohn- und Sozialdumping, Lohnwucher, Scheinselbstständigkeit und dergleichen sind für den Festspielpräsidenten schon „längst erledigt“, der auf entsprechende Untersuchungen durch Tiroler Gebietskrankenkasse und Finanzpolizei verweist.
1. März: Der Verein „art but fair“ erstattet bei der Innsbrucker Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Kuhn. Dem Verein geht es um mehrere „Fragenkomplexe“, die staatsanwaltschaftlich geklärt werden sollen, darunter der Vorwurf von strafrechtlich relevanten sexuellen Übergriffen.
2. März: Die Festspiele Erl erwirken bei Gericht eine Einstweilige Verfügung gegen den Tiroler Blogger Markus Wilhelm. Zudem werden mehrere Klagen gegen Wilhelm vorbereitet und auf den Weg gebracht.
11. März: Der Vorstand der Tiroler Festspiele Erl Privatstiftung beschließt die Offenlegung der Gagen und richtet eine Ombudsfrau als Anlaufstelle für gegebenenfalls Betroffene ein. Zudem beauftragt er die Geschäftsführung „Rules of Conduct“ (Verhaltensregeln, Anm.) zu erarbeiten und zu implementieren.
17. Mai: Kuhn zieht seine medienrechtliche Klage gegen Wilhelm zurück. Die Zivilklage bleibt jedoch aufrecht. Der Blogger sieht darin einen kleinen Sieg.
Anfang Juni: Die zuständige Richterin übermittelt den Akt aus dem Prozess Kuhn gegen Wilhelm unter anderem wegen übler Nachrede nach dem Mediengesetz an die Staatsanwaltschaft. Die Anklagebehörde prüft die Aussagen, die Vorwürfe sind aber bereits verjährt. Zwei weitere Zeuginnen sollen aber noch einvernommen werden.
6. Juli: Die heurigen Festspiele werden eröffnet. In seiner Festansprache übt Haselsteiner Kritik und nimmt Kuhn in Schutz. Die sozialen Medien bezeichnet er als „neuen Pranger“ und Kuhn attestiert er „ganz der Alte zu sein“. „Er macht - hoffentlich zum Ärger des Bloggers - noch immer keinen Hehl daraus, welche Vorlieben er hat. Und Wein, Weib und Gesang ist etwas, was wir gut nachvollziehen können“, witzelt der Festspielpräsident.
25. Juli: Fünf ehemalige Künstlerinnen klagen in einem offenen Brief sexuelle Übergriffe bzw. Missbrauch durch den künstlerischen Leiter, Gustav Kuhn, an. Sie sprechen von „anhaltendem Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen“ durch Kuhn während ihres Engagements. Es ist das erste Mal, dass sich Künstler namentlich an die Öffentlichkeit wenden.