Transit

„Bitte damit aufhören, den Umwegverkehr zu leugnen“

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Bayerische Bürgermeister entlang der Autobahn rebellieren gegen die Lkw- bzw. straßenfreundliche Verkehrspolitik in München und Berlin.

Von Peter Nindler

Innsbruck. München –Der Schuss geht nach hinten los. Mit einer Infokampagne möchte nämlich die in Bayern regierende und wahlkämpfende Christlich Soziale Union (CSU) die Bürgermeister im bayerischen Inntal davon überzeugen, dass der durch die niedrigen Lkw-Mauten erzeugte Umwegverkehr so gar nicht erfolgt. Bekanntlich lehnen Bayern und Deutschland Lkw-Mauterhöhungen kategorisch ab und bekämpfen die Blockabfertigungen Tirols bei der EU in Brüssel.

Die Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag und stellvertretende CSU-Generalsekretärin Daniela Ludwig versandte jüngst die Argumentationshilfen an die Bürgermeister und örtlichen CSU-Vorsitzenden. Ihr Fazit darin: Die Fahrt über den Brenner sei keinesfalls billiger als durch die Schweiz. „Dies unterstreicht, dass von der Speditionsbranche die Sinnhaftigkeit von Umwegverkehren angezweifelt wird“, folgerte sie. Und: Damit gebe man auch eine fundierte Argumentationshilfe für die öffentliche Diskussion an die Hand. „Weitere Hilfestellungen befinden sich gegenwärtig in der Vorbereitung“, kündigt Ludwig an.

Der Bürgermeister von Stephanskirchen, Rainer Auer, konnte das nicht so recht glauben und wandte sich mit dem Zahlenmaterial an das Land Tirol. Dort ließ er die „Berechnungen des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr“ überprüfen. Die Antwort der Verkehrsexperten in Tirol erfolgte prompt: Der Lkw-Umwegverkehr lässt sich nicht wegrechnen, das wird durch mehrere Studien belegt. Rund 40 Prozent der Lkw fahren aktuell über den Brenner, weil er die günstigste Route im Nord-Süd-Transit ist.

„Zahlen und Fakten sind speziell in der Verkehrspolitik ein wichtiges Thema und für mich wichtige Argumentationsgrundlagen. Das Land Tirol befasst sich schon jahrelang mit dem Thema Transitverkehr“, sagt dazu Tirols Verkehrs- und Umweltreferentin LHStv. Ingrid Felipe (Grüne). Das Land leistet jetzt seinerseits Hilfestellung für die transitgeplagten Bürger in Bayern. „Wir haben nicht nur schon viel an Knowhow aufgebaut, sondern auch viele Datengrundlagen geschaffen, auf denen wir unsere verkehrspolitischen Maßnahmen gründen und objektive Vergleiche ziehen können“, baut Felipe auf ihre Grundlagen. Die Konsequenz daraus: Nicht nur Bürgemeister rebellieren gegen die Vorgaben aus München, sondern auch Bürgerinitiativen wie der „Brennerdialog Rosenheimer Land“.

Geharnischte Proteste sind die Folge: „Ich bitte euch aber ausdrücklich, damit aufzuhören, den nachgewiesenen Umwegverkehr zu verleugnen oder mit bedingt aussagekräftigen Beispielrechnungen zu verschleiern“, appellierte etwa Stephanskirchens Bürgermeister Rainer Auer. Überschlägig betrage der Lkw-Umwegverkehr im Inntal derzeit rund 2000 Fahrzeuge pro Tag. Auer: „Wenn man die hintereinanderstellt, ergibt sich eine Schlange zwischen 40 und 50 Kilometern.“ Auer fordert deshalb ein Umdenken: „Nur auf die Blockabfertigung zu schimpfen oder eine Aufweichung des Nachtfahrverbots vorzuschlagen, wird die Situation nicht verbessern, sondern verschlimmern. Übrigens: Auch wenn ich Österreich in Sachen Dieselpreis kritisieren muss – insgesamt hat man uns dort verkehrspolitisch im Inntal einiges voraus.“

Auer ist nicht der Einzige, der so denkt. Im Landkreis Rosenheim formiert sich breiter Widerstand. Der Vorstand des Brennerdialogs, Thomas Riedrich, formuliert es in einem Schreiben an die CSU-Frontfrau Daniela Ludwig drastisch: „Während die Politiker im Nachbarland Tirol die Gesundheit ihrer Bürger durch Nachtfahrverbote und Blockabfertigung schützen, halten Sie weiter an einer verfehlten Verkehrspolitik fest und versuchen, wie im vorliegenden Fall, die Folgen durch Verdrehen der Fakten zu verleugnen und sich aus der politischen Verantwortung zu stehlen.“ Das sitzt.

Apropos Korridormaut am Brenner. Die Südtiroler Brennerautobahn AG wurde jetzt verständig, dass die Basis für die Mauttarife für den Abschnitt vom Brenner bis nach Modena genehmigt worden sei. Ob es zu der angekündigten Erhöhung der Lkw-Maut in Etappen kommen werde, wird erst nach Festlegung der Tarife durch das Transportministerium feststehen. Die Tarifermittlung dürfte jedoch noch Monate dauern.