Feminismus in der Kirche: ,,Vor einigen Jahren noch unvorstellbar“
Der Bund streicht Fraueneinrichtungen Zuwendungen, die Kirche dagegen zeigt sich feministischer denn je, besonders in Tirol. Viele der zentralsten Positionen der Diözese Innsbruck sind mit Frauen besetzt.
Von Michaela S. Paulmichl
Innsbruck –„Solange Gott einen Bart hat, bin ich Feminist.“ Der in großen pinkfarbenen Lettern auf den Baustellenstaubschutz gestickte Satz lässt Passanten und Besucher des während Renovierungsarbeiten verhüllten Innsbrucker Doms seit einigen Tagen Richtung Himmel blicken. Mit ihrer Aktion will die Innsbrucker Künstlerin Katharina Cibulka auf die „anhaltende Notwendigkeit feministischer Forderungen“ aufmerksam machen.
Da im Dom über dem Hochaltar Gott als alter Mann mit Bart dargestellt wird, schien Dompropst und Generalvikar Florian Huber der Spruch passend, bei der Präsentation verwies er auf die Redewendung, dass etwas „passé und vorbei sei, wenn es einen langen Bart hat“. In diesem Fall: Ob die Gottesfrage heute noch berühre. Die andere Frage ist: Wie aufgeschlossen ist die Kirche in Tirol wirklich?
„Ein feministischer Spruch auf einem Gotteshaus? Das wäre vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen! Es ist ein wichtiges Signal, eine Auseinandersetzung über das Thema Gleichberechtigung zu führen“, sagt Ingrid Jehle, Pastoralamtsleiterin und Vorsitzende der Diözesanen Frauenkommission. Das Gremium berät den Bischof und gibt Impulse für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche.
In der Diözese Innsbruck wurden sehr viele Führungspositionen, darunter einige der zentralsten, von den Bischöfen mit Frauen besetzt – weitaus mehr als in den anderen österreichischen Diözesen. Gudrun Walter ist Ordinariatskanzlerin – es ist die zweithöchste Position –, Elisabeth Rathgeb Seelsorgeamtsleiterin und Maria Plankensteiner-Spiegel Schulamtsleiterin. Auch das Haus der Begegnung und das Bildungshaus St. Michael werden von Frauen geführt, ebenso das Katholische Bildungswerk. Insgesamt 57 Prozent der Pfarrgemeinderäte sind weiblich, bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern liegt der Anteil der Frauen bei 60 Prozent.
Angelika Ritter-Grepl, Leiterin des Frauenreferats – es ist ebenfalls einzigartig in Österreich – lobt die „bewusste Entscheidung“, die es ermögliche, „das Gottesbild aus der männlichen Ecke herauszuholen. Das ist dringend nötig.“ Hier gehe es um mehr als nur um die Unterstützung einer Installation durch einen kunstinteressierten Bischof. „Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es für manche schwierig ist, wenn ihr Gottesbild – der Herrgott – in Frage gestellt wird“, erinnert sie an die Aufregung und monatelang anhaltende Polemik über den Schriftzug „Grüß Göttin“ an der Autobahn bei Kufstein. Ritter-Grepl weist auch darauf hin, dass Chancengleichheit in der Diözese Innsbruck in einem eigenen Gleichstellungsplan quasi zur Selbstverpflichtung verankert sei und es „weltweit einzig“ eine Sammlung „Frauenlebenswenden in Liturgien, Ritualen und Feiern“ mit bischöflicher Approbation gebe.
Das alles ändere natürlich nichts daran, dass es keine Priesterinnen gebe, man – wie Jehle meint – von Gleichberechtigung weit entfernt sei: „Da liegt noch vieles im Argen.“ Nun wird mit Spannung erwartet, wie die Entscheidung der Kommission im Vatikan bezüglich weiblicher Diakone ausfallen wird.
In Innsbruck war Religionspädagogin Herlinde Pissarek-Hudelist Ende der 1980er-Jahre weltweit die erste Frau, die Dekanin einer Katholisch-Theologischen Fakultät wurde.