Wird weiter an der Uhr gedreht?
Das Thema ist umstritten, die Teilnahme dementsprechend groß: Die 511 Millionen EU-Bürger können derzeit im Internet ihre Meinung zur Sommerzeit kundtun.
Von Irene Rapp
Innsbruck –Der Titel klingt ein wenig sperrig. „Öffentliche Konsultation zur Sommerzeitregelung“ heißt es da im Internet und wer die Zusatzinformationen der Europäischen Kommission liest – ebenfalls online –, der erfährt, dass das Amt Antworten auf Englisch begrüßen würde. Besagte „Konsultation“ ist aber auch in Deutsch möglich. Und deswegen hat der Autor dieser Zeilen der Europäischen Kommission seine Meinung zum Thema Sommer- bzw. Winterzeit in seiner Muttersprache kundgetan.
Ein brisantes Thema: Alljährlich am letzten Sonntag im März bzw. im Oktober wird über Sinn bzw. Unsinn der Zeitumstellung diskutiert. Zuletzt häuften sich die kritischen Stimmen, u. a. in Form von Studien, die von negativen Folgen für die Gesundheit der Menschen sprechen. Mit ein Grund, warum das Europaparlament die EU-Kommission beauftragte, eine gründliche Bewertung der „Sommerzeitregelung“ durchzuführen. Vorerst sind also einmal die 511 Millionen EU-Bürger am Wort. Seit Anfang Juli können sie im Internet u. a. bekannt geben, ob sie „sehr positive“ oder „sehr negative“ Erfahrungen mit der Zeitumstellung gemacht haben und ob sie für oder gegen die Zeitumstellung sind.
In den ersten drei Tagen war der Ansturm derart groß, dass das System immer wieder abstürzte. „Unser IT-Team hat das Problem aber nun gelöst. Bislang sind mehr als eine Million Antworten eingelangt“, sagt Enrico Brivio, Sprecher des zuständigen EU-Kommissariats für Transport, gegenüber der TT. Interessant auch, dass jeder mit Internetzugang und Mail-Adresse an der Befragung teilnehmen kann. „Es handelt sich dabei ja um keine Abstimmung, uns ist jede Meinung wichtig“, argumentiert Brivio. Das IT-Team hat auch Mechanismen eingebaut, die verhindern sollen, dass jemand mehrmals teilnimmt. Oder dass durch Bot-Programme, die sich als Mensch „tarnen“, Fragebögen automatisch mehrmals ausgefüllt werden und das Ergebnis verzerren.
Bis 16. August ist diese öffentliche Meinungskundgebung noch möglich. Ob auch künftig zweimal im Jahr an der Uhr gedreht wird, bleibt danach vorerst weiter Thema auf den EU-Ebenen. „Wir werden über das Ergebnis der Befragung so rasch als möglich berichten“, stellt Brivio in Aussicht. Sollte danach die EU-Kommission zu dem Schluss kommen, dass die Nachteile der Zeitumstellung überwiegen, könnte sie dem EU-Parlament und den Mitgliedstaaten einen Vorschlag zur Änderung der „Sommerzeitregelung“ vorlegen. Wobei für Brivio eines feststeht: „Wir müssen eine einheitliche Regelung in der EU beibehalten: das heißt, entweder wir schaffen die Zeitumstellung ab oder nicht. Alles andere würde zu einer Zersplitterung und Verzerrung der Märkte führen und hätte Unannehmlichkeiten für die EU-Bürger.“
In Österreich wurde die Sommerzeit übrigens 1980 eingeführt. Und laut einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Akonsult vom Frühjahr 2018 scheint ein Großteil hierzulande kein Problem damit zu haben. Demnach sprechen sich 61 Prozent für die Beibehaltung der jährlichen Zeitumstellung aus.
Rein theoretisch wäre es übrigens auch möglich, dass ein EU-Land nach einem möglichen Auslaufen der „Sommerzeitregelung“ die permanente Winterzeit beibehält, während das andere bei der permanenten Sommerzeit bleibt. „Doch das ist sehr hypothetisch“, beruhigt Brivio.