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Der Brüller aus Affalterbach

Mit V8 Biturbo, handgefertigt in Affalterbach: Den in vielen Details verbesserten Mercedes-AMG C63 gibt es als Coupé, Cabrio, Limousine oder Kombi.Fotos: Werk
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Meistverkauftes AMG-Modell weltweit, einziger V8-Motor im Segment – der neue Mercedes-AMG C63 geizt aber auch sonst nicht mit Superlativen.

Von Stefan Pabeschitz

Bad Driburg –Bei der schieren Power musste der C63 anlässlich des Facelifts der ganzen C-Klassen-Baureihe nicht mehr zulegen: 476 oder 510 PS in der S-Variante sind auch für die kommenden Jahre noch ausreichend, um im Segment der Mittelklasse-Heißsporne tonangebend zu sein. Was wortwörtlich gilt: Das wohlige Bollern eines V8 ist so selten geworden, wie der Schrei des Berggorillas oder das Schnauben des Spitzmaulnashorns – allesamt eben vom Aussterben bedrohte Arten. Die Zylinderanzahl des C63 ist in seiner Klasse bereits ein Unikum – die Anabolika-Varianten der Mitbewerber aus München, Ingolstadt und Mailand begnügen sich mittlerweile mit sechs Zylindern.

Aufgerüstet hat Mercedes-AMG bei den Tugenden, die ein Auto schneller machen, wenn man sie zu nutzen weiß: Fahrwerk mit adaptiver Dämpferkontrolle und drei Voreinstellungen, neues Neun-Gang-Speedshift-Getriebe mit im Ölbad laufender Anfahrkupplung, sechs Fahrprogramme inklusive eines Race-Modus, aktive Drehmomentverteilung in vier weiteren Stufen und als Über-drüber-Kick optional eine neunstufig verstellbare Traktionskontrolle zum Vorwählen des Schlupfs an der Hinterachse. Die theoretische Rechenübung, wie viele Variationen sich aus diesen Einstellmöglichkeiten kombinieren lassen, ersparen wir uns – es wird sich ohnehin kaum jemand die Mühe machen wollen, sie alle persönlich auszuprobieren, obwohl fast alles mit Drehreglern direkt am Lenkrad anwählbar ist.

Äußerlich sind die Neuerungen diskret geblieben: Die AMG-spezifische Kühlerstruktur, die etwas wuchtiger wirkenden Schürzen und der umgestaltete Diffusor mit den vier integrierten Auspuffblenden stärken den Alpha-Tier-Auftritt. Drinnen trägt Mercedes der Vorliebe vieler Kunden für analoge Zeigerinstrumente und der seiner Buchhalter für saftige Aufpreise Rechnung: Das digitale Cockpit ist nicht Serienausstattung, sondern kostet extra. Wer es nicht wählt, bringt sich allerdings um die feine grafische Darstellung von Turbo-Einsatz, PS-Abruf, Drehmoment und G-Kräften, womit das, was jede Körperfaser jeweils grade durchmacht, auch ein Zahlenmascherl bekommt. Denn wenn sich die Urkraft des V8-Biturbo an dem handlichen Mittelklasse-Stern vergreift, ist richtig was los in Sachen gelebter Physik: Das Spüren von eigentlich viel zu viel Power an der Hinterachse, die dennoch irgendwie gezähmt wird, die sauber abgestimmte Lenkung mit jeder Menge Rückmeldung, das heftige Durchreichen der Leistung die Gänge rauf und runter, zuletzt noch das brachiale Einfangen dieses Ausbruchs mit den gewaltigen Verbundbremsen sind ein wirklich besonderes Erlebnis. Wer sich über die schrittweise Lockerung der Kontrollen von Drehmoment-Überschuss und Traktions-Übermut traut, erlebt erst recht eine Eskalation von Längs-, Quer- und Vertikal-Kräften, die in höchstem Maß suchtgefährdend ist. Mit doppeltem Nachhall-Effekt beim Aussteigen, weil dann noch einmal zwei Dinge bewusst werden: erstens, dass dieses rotzige Heiz-Gerät tatsächlich ein Mercedes ist – eben noch der Inbegriff von achtsamer Biederkeit –, und zweitens, dass die Stuttgarter diesen technischen Overkill einem an sich braven, kompakten Auto verpasst haben, was einfach Respekt verdient.

Damit kein Geschmack zu kurz kommt, bietet Mercedes auch den C63 und C63 S in jeder Karosserieform an: als Limousine, Kombi, Coupé und Cabriolet. Zusammen mit dem Sechszylinder-Einsteiger-AMG C43 macht das somit satte zwölf Affalterbacher Brüller in einer einzigen Baureihe – mehr, als andere biedere Zivilmodelle anbieten. Bis zum Marktstart im Oktober ist noch Zeit zum Sparen, auch wenn der Preis bis jetzt noch nicht feststeht.