Prozess um BP-Stichwahl: Von Wissenslücken und Konzertmeistern

Klagenfurt (APA) - Der Prozess um Unregelmäßigkeiten bei der Bundespräsidenten-Stichwahl vom 22. Mai 2016 am Landesgericht Klagenfurt ist am...

Klagenfurt (APA) - Der Prozess um Unregelmäßigkeiten bei der Bundespräsidenten-Stichwahl vom 22. Mai 2016 am Landesgericht Klagenfurt ist am Donnerstag mit den Einvernahmen der Angeklagten fortgesetzt worden. Der Villacher Bürgermeister Günther Albel (SPÖ) legte ein Geständnis ab, gleich darauf folgte die FPÖ-Politikerin, die auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam gemacht hatte, sie bekannte sich nicht schuldig.

Zuvor hatte Hans-Peter Kronawetter von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ausführlich die Vorwürfe gegen die zehn Angeklagten erläutert. Detailliert erklärte er, wie eine Briefwahl abzulaufen hätte, und wie wichtig die geheime Wahl sei - das sei durch das Handeln eines angeklagten Abteilungsleiters des Melde- und Standesamtes, der nicht der Bezirkswahlbehörde angehörte, nicht gewährleistet gewesen.

Schon Tage vor der Wahl hatte dieser mit Vorbereitungsarbeiten begonnen und viel früher als gesetzlich vorgesehen mit der Auszählung der Briefwahlstimmen begonnen: Als eine ebenfalls angeklagte Wahlbeisitzerin der FPÖ am Montagvormittag zum eigentlichen Auszählungstermin im Rathaus auftauchte, war alles bereits ausgezählt. Trotzdem bestätigten die Mitglieder der Bezirkswahlbehörde am Montagnachmittag, dass sie bei der Auszählung anwesend gewesen seien - lediglich die FPÖ-Politikerin verlangte eine Korrektur. Die Teilnahme an einer Sitzung am Abend des Wahltages, die ebenfalls nicht stattgefunden hatte, bestätigten jedoch wieder alle Mitglieder der Wahlbehörde ohne Widerrede.

Der Abteilungsleiter war es auch, der in der Replik von Verteidiger Meinhard Novak, der unter anderem Albel vertrat, sein Fett abbekam: „Der Konzertmeister hat den Taktstock übernommen, nach einer falschen Partitur dirigiert, und das Orchester hat gespielt.“ Der Abteilungsleiter sei „der Mr. Wahl“ gewesen, auf sein Wort hätten alle vertraut. Gleich mehrmals wies Novak auf seinen Wunsch hin, seinen Mandanten eine Diversion zu ermöglichen. Auch die Verteidiger von zwei weiteren Angeklagten erklärten, ihre Mandanten würden sich schuldig bekennen.

Auf „nicht schuldig“ plädierte Christoph Völk, der Verteidiger der beiden angeklagten FPÖ-Mitglieder der Wahlbehörde. Er verwies darauf, dass die angeklagte Funktionärin einen Vermerk gefordert hätte, dass die Auszählung nicht so stattgefunden hätte, wie im Protokoll zuerst angegeben - sie habe diesen Einwand auch im Auftrag ihres Parteikollegen getätigt. Dass sie dann aber ihre Teilnahme an einer Sitzung am Sonntagabend vermerkt habe, begründete er damit, dass sie zu einer Unterschrift gedrängt worden seien.

Alexander Jelly, der Verteidiger des Abteilungsleiters, erklärte ebenfalls, sein Mandant werde sich schuldig bekennen - auch wenn er den Vorwurf zurückwies, sein Mandant sei der „Konzertmeister“ gewesen: „Er ist ein Beamter, auf dessen Schultern ein großer Druck lastete“, sagte er und erinnerte an einen Montagnachmittag, als Wahlergebnisse auf ganz Österreich vorlagen und nur das aus Innsbruck gefehlt hatte: „In so einer Situation will niemand sein.“ Der Abteilungsleiter ist auch angeklagt, vor dem Verfassungsgerichtshof als Zeuge falsch ausgesagt zu haben. Auch dazu bekenne er sich geständig, sagte Jelly: „Er hat nicht die ganze Wahrheit gesagt, er wollte sich einfach nicht mehr tiefer hineinreiten.“

Ihre Verantwortung bekräftigte auch die FPÖ-Mandatarin in ihrer Einvernahme durch Richter Christian Liebhauser-Karl. „Sie haben gewusst, dass da etwas nicht gestimmt hat. Was war der Grund, dass Sie sich mit einem Aktenvermerk zufriedengegeben haben?“, wollte Liebhauser-Karl wissen. „Man hat mir die Auskunft gegeben, dass das Protokoll vorgedruckt sei und man nichts ändern könne. Das hat der Abteilungsleiter so mitgeteilt, wir haben das so hingenommen“, erklärte die Frau. Sie betonte aber, dass sie lediglich die Ausführung der Auszählung bekrittelte: „Am Wahlergebnis hatte ich nie Zweifel.“

„Wie können Sie denn etwas unterschreiben, von dem Sie nicht wissen, ob es in Ordnung ist?“, lautete eine immer wieder auftauchende Frage des Richters, der sich auch Bürgermeister Albel stellen musste. „Sie haben völlig Recht, das war ein Fehler und deswegen sitze ich da“, antwortete der Bürgermeister. Liebhauser-Karl machte ihn auch darauf aufmerksam, dass es nicht einmal eine Einladung für Montag, 9.00 Uhr, gegeben hätte, wo eigentlich die Briefwahlstimmen ausgezählt werden hätten sollen: „Stößt Ihnen das nicht auf?“ - „Wie ich schon gesagt habe, habe ich nicht gewusst, dass die Bezirkswahlbehörde die Auszählung durchzuführen hat“, gab Albel an. Er habe geglaubt, die Bezirkswahlbehörde müsse das Ergebnis nur beurkunden.

Der Abteilungsleiter habe in der Sitzung am Montagnachmittag „schlüssig dargelegt“, dass es eine Ermächtigung aus dem Jahr 2013 gebe, dass die Bezirkswahlbehörde nicht extra eingeladen werden müsste: „Er hat auch gesagt, dass er die Vorarbeiten durchführen hätte dürfen. Das ist mir schlüssig erschienen“, so Albel weiter.

„Wie oft unterschreiben Sie eigentlich eine Urkunde, die Sie sich vorher nicht durchgelesen haben?“, lautete die Frage, die Staatsanwalt Kronawetter immer wieder stellte. Die Antworten der Angeklagten variierten von „ich versuche, das nie zu tun“, über „eigentlich selten“ und „jetzt nicht mehr“ bis hin zur Begründung, das man nicht gewusst habe, dass dieses Schriftstück eine Urkunde sei. Auch habe man gedacht, dass man mit der Unterschrift nur das Ergebnis der Briefwahl-Auszählung bestätige, so die Grundaussage von so manchem Angeklagten.

Die Einvernahmen waren am Donnerstag noch im Gange. Als weiterer Verhandlungstag war auch noch der Freitag avisiert, je nach Verlauf der Verhandlung am Nachmittag war es aber auch möglich, dass bereits am Donnerstag ein Urteil fallen könnte.

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