Juncker/Trump-Deal - Viel Lob, doch etwas Skepsis bleibt
Washington (APA/Reuters) - Der Handelskonflikt zwischen der EU und den USA hat sich vorerst entspannt. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncke...
Washington (APA/Reuters) - Der Handelskonflikt zwischen der EU und den USA hat sich vorerst entspannt. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump einigten sich in Washington überraschend, vorerst auf Sonderzölle auf europäische Autos zu verzichten. Stattdessen soll es Verhandlungen zum Abbau von Handelsbarrieren geben.
An den Finanzmärkten wurde der Deal positiv aufgenommen: Der Euro-Stoxx-50 notierte am frühen Nachmittag um 0,6 Prozent höher. In Frankfurt legte der DAX 1,1 Prozent zu, Auto-Aktien stiegen zeitweise um mehr als fünf Prozent. In Wien stieg der ATX zuletzt um 0,4 Prozent. Die Aktien des Stahlkonzerns voestalpine gehörten mit einem Plus von 2,4 Prozent zu den größten Gewinnern. Aus Politik und Wirtschaft kamen zahlreiche positive Reaktionen, aber auch skeptische Töne.
Trump und Juncker hatten im Vorfeld ihres mehrstündigen Gesprächs am Mittwochabend im Weißen Haus die Aussichten auf einen Erfolg selbst als gering eingeschätzt. Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier bescheinigte Juncker daher eine „großartige“ Verhandlungsführung. Geplant ist nun, rasch über einen umfassenden Zollabbau - speziell für Industriegüter - zu verhandeln. Die Europäer gingen auf Trump zu, indem sie mehr Sojabohnen und Flüssiggas (LNG) aus den USA einführen wollen.
Trump steht derzeit insbesondere von Landwirten unter Druck, weil deren Soja-Geschäfte mit China massiv unter dem Handelsstreit leiden. Auch die führenden US-Autobauer spüren Auswirkungen des Konflikts um zusätzliche Stahl- und Aluminiumzölle. So haben Ford und General Motors gerade ihre Geschäftsprognosen gesenkt.
Für die deutsche Wirtschaft mit Aushängeschildern wie Daimler und BMW ist vor allem der vorläufige Verzicht auf Auto-Sonderzölle entscheidend. „Damit besteht eine reale Chance, zusätzliche Zölle oder gar einen Handelskrieg zwischen den USA und der EU zu verhindern“, gab sich der Autoverband VDA erleichtert. Ähnlich äußerte sich der Industrieverband: „Die Zollspirale im transatlantischen Handel scheint vorerst gestoppt“, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf. Allerdings müssten nun den Worten auch Taten folgen. Zurückhaltender zeigte sich Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages: „Die in Aussicht gestellten Lösungen gehen in die richtige Richtung, aber eine gehörige Portion Skepsis bleibt.“
In Österreich sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einer Stellungnahme gegenüber der APA, dass es „ganz entscheidend“ sei, einen Handelsstreit mit den USA zu verhindern. Daher sei es gut, dass Juncker mit Trump daran arbeite, die Beziehung zwischen der EU und den USA zu stärken, was gerade Österreich als Exportnation unterstütze. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) zeigte sich „vorsichtig positiv“, Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer sprach von einem „ersten wichtigen Schritt zur Entschärfung des Handelskonflikts“.
Für die deutsche Bundesregierung lobte Altmaier Juncker und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. „Zölle runter, nicht rauf“, twitterte er. Der freie Handel und Millionen Jobs seien gesichert. Außenminister Heiko Maas sagte am Rande eines Besuchs in Südkorea, das Ergebnis von Washington sei besser als erwartet. Dagegen sprach SPD-Chefin Andrea Nahles vorsichtiger von einem Aufschub, den die Europäer erhalten hätten. Noch sei das eigentliche Ziel nicht erreicht.
Europa steht zudem womöglich nicht geschlossen hinter dem Juncker-Deal. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, sein Land wolle nicht in umfassende Verhandlungen einsteigen. Die Landwirtschaft müsse von allen Verhandlungen ausgeschlossen werden. Zudem müssten die USA bei den von ihnen verhängten Stahl- und Aluminiumzöllen eine Geste des guten Willens zeigen.
Auch unter Wirtschaftsexperten fiel das Echo gemischt aus. Gabriel Felbermayr vom Münchner Ifo-Institut sagte zur Möglichkeit eines transatlantischen Handelsabkommens: „Wenn man den politischen Willen hat, kann man in einem halben Jahr mit einem Text kommen.“ Unterschriftsreif könnte eine solche Abmachung dann in einem Jahr sein. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sieht zwar eine Entspannung. „Es gibt aber noch keine Entwarnung.“ Er rechnet damit, dass Trump weiter das Thema Strafzölle für deutsche Autos als Druckmittel einsetzt.
Harald Oberhofer vom Wifo und der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) kann den Ankündigungen vom Vortag zwar etwas abgewinnen. Allerdings wisse man derzeit noch zu wenig, um die Ergebnisse des Treffens endgültig zu beurteilen. Die Einigung kaufe Zeit und nehme Druck aus der Debatte. „Entscheidend wird aber sein, was in den nächsten Wochen passiert und wie ernsthaft verhandelt wird“, sagte Oberhofer gegenüber der APA.
Offen bleibt zudem, wie die EU-Zusagen - etwa für mehr Flüssiggas-Importe aus den USA - umgesetzt werden können. Die deutsche Energiebranche reagierte bereits zurückhaltend. „LNG ist immer eine Preisfrage. Und aktuell sind die LNG-Lieferungen aus den USA im Vergleich zu anderen Gasquellen für uns nicht wettbewerbsfähig“, sagte etwa der Finanzchef des Energiekonzerns EnBW, Thomas Kusterer.