Popfest Wien: Wolkenbruch mit Happy End am Auftaktabend
Wien (APA) - Anfangs war weniger Party- als Weltuntergangsstimmung. Fast auf die Minute genau, als die Dives am Donnerstagabend das neunte W...
Wien (APA) - Anfangs war weniger Party- als Weltuntergangsstimmung. Fast auf die Minute genau, als die Dives am Donnerstagabend das neunte Wiener Popfest eröffnen sollten, fegte ein Starkregen über den Karlsplatz, der Zuschauer wie Seebühne binnen Sekunden völlig durchnässte. Eine halbe Stunde später war alles wieder gut: 18.000 Menschen feierten einen dann doch noch trockenen und gelungenen Konzertabend.
Die diesjährigen Kuratoren, Musikjournalistin Katharina Seidler und Nino Mandl alias Der Nino aus Wien, setzten beim Auftakt-Line-up auf der Open-Air-Bühne vor der Karlskirche auf Newcomer und nicht mehr ganz junge Helden. Zu ersteren zählen definitiv die erst 2016 gegründeten Dives, deren Bandname nicht zuletzt als unfreiwillige Referenz an die vorherrschenden Wetterbedingungen verstanden werden konnte. Das coole Damentrio zelebrierte mit zwei Gitarren und Schlagzeug Garagenrock zwischen Rumpelkammer („Roof“) und hitverdächtigem Melodie-Pop („Shrimp“).
Trotzdem die Indie-Formation infolge der wolkenbruchbedingten Verzögerung ihr Set etwas kürzen musste, blieb Zeit für einen ganz frischen Song: „Drinking Paradise“ - auch nicht ganz unpassend für einen Festivalauftakt. Befürchtungen, die heuer für den FM4-Amadeus-Award nominierten Dives müssten ihren Auftritt vor einem leergespültem Platz absolvieren, zerstreuten sich schnell. Noch im abklingenden Regen traute sich das zuvor blitzartig wohin auch immer geflüchtete Publikum zurück vor die Seebühne.
Spätestens beim zweiten Act war das Areal sowieso gut gefüllt. Immerhin gaben die heimischen Weltschmerz-Heroen von Naked Lunch dem Popfest erstmals die Ehre. „Das war die erste Band, auf die wir uns geeinigt haben beim ersten Spritzer“, gab Der Nino aus Wien - unbeirrbar mit Sonnenbrille bestückt - Einblicke in die Kuratorentätigkeit. „Oh rain come down to bring the blue sky back again“, predigte die Kärntner Herrenpartie in ihrem Song „Hiroshima Dreaming“. Eine Bitte, die da längst erhört worden war. Naked Lunch kredenzte eine wohlfeile Auswahl ihres traurig-schönen Oeuvres von „So Sad“ über „It‘s the Sun“ bis zu „Military of the Heart“. Diesen fast schon Klassiker performte man mit der Chansonniere Eva Jantschitsch vulgo Gustav, die Naked Lunch für drei Songs als Verstärkung auf die Bühne einluden.
Der Headliner-Slot gehörte allerdings der jungen Generation: Hauptact am Eröffnungsabend war die Linzerin Mavi Phoenix. Die 22-Jährige verwandelte den bis in die hintersten Ecken gefüllten Platz innerhalb kürzester Zeit in einen großen Open-Air-Dancefloor. Dass der zwischen Pop, Elektronik und Hip-Hop angesiedelte Sound der Rapperin, die in den vergangenen Wochen unter anderem am Primavera-Festival in Barcelona und beim dänischen Roskilde-Festival auftrat, auch international funktioniert, daran blieb kein Zweifel.
Die junge Künstlerin, deren Markenzeichen die durch Autotune veränderte Stimme ist, erinnerte sich daran, dass sie 2016 schon einmal auf dem Popfest aufgetreten war - „auf dem Brandwagen von irgend so einem Energydrink“ während Voodoo Jürgens auf der großen Bühne spielte. Damals habe sie sich gedacht „Oida, geil, ich will auch einmal auf dieser Bühne spielen“. Dass es nur zwei Jahr später soweit sein würde, dachte sie sich nicht.
Wegen des verzögerten Programmablaufs blieben für Mavi Phoenix nur rund 40 Minuten Spielzeit übrig, Hits wie „Bite“, „Yellow“ und zum Abschluss „Aventura“ - „auch wenn sie uns abdrehen“ - gingen sich trotzdem aus. Punkt 23.00 Uhr war Schluss. Wer noch in Konzertlaune war, konnte in die Indoorspielstätten wie das Wien Museum und den TU Prechtlsaal weiterziehen, wo unter anderem Paul Plut und Crush angesagt waren.
Insgesamt treten bis Sonntag knapp 60 Acts im Rahmen des Popfests auf. Auf der Seebühne gibt es am heutigen Freitag u.a. Kreisky und Ash My Love zu sehen, am Samstag steht pointierter Rap und Hip-Hop von Kroko Jack, Kreiml & Samurai und EsRAP am Programm. Drinnen musizieren u.a. die Neo-Folkerin Alicia Edelweiss und Stilpluralist Sir Tralala.
Der Sonntag bietet dann mit der neuen Location Karlsgarten bei der Kunsthalle erstmals einen Lyric-Nachmittag und - inzwischen schon traditionell - ein spezielles Line-up in der Karlskirche. Dort ist u.a. Ja, Panik-Sänger Andreas Spechtl ab 23.00 Uhr als allerletzter Act der heurigen Popfest-Ausgabe zu erleben.
Die Regenponchos sollten übrigens nach dem gestrigen Wetter-Happy-End noch nicht weggepackt werden. Zumindest für den heutigen Freitag sind laut Prognosen erneute Gewitter nicht ausgeschlossen.