Mehr Anzeigen, mehr Tote: Kärntner Suchtgift-Gipfel am Mittwoch

Klagenfurt (APA) - Die Drogensituation hat sich in Kärnten im laufenden Jahr weiter zugespitzt. 2017 starben bereits zwölf Menschen an Sucht...

Klagenfurt (APA) - Die Drogensituation hat sich in Kärnten im laufenden Jahr weiter zugespitzt. 2017 starben bereits zwölf Menschen an Suchtgift. Kürzlich wurde der elfte Tote im heurigen Jahr gefunden. Inzwischen hat die Politik das Thema aufgegriffen. Die Opposition sieht Mängel bei der Versorgung von Süchtigen im Land. Gesundheitsreferentin Prettner (SPÖ) hat für Mittwoch einen Expertengipfel einberufen.

Der Chef des Kärntner Landeskriminalamts (LKA), Gottlieb Türk, bewertete die Drogensituation im Bundesland als „durchschnittlich“. Es stimme zwar, dass im bevölkerungsmäßig ähnlich großen Salzburg die Anzahl der Toten pro Jahr im niedrigen einstelligen Bereich liege, aber in Tirol zum Beispiel gebe es deutlich mehr Drogentote. Den Anstieg bei der Zahl der Toten in Kärnten führte Türk auf Mischintoxikationen zurück. „Die Menschen nehmen zunehmend verschiedene Substanzen ein, deren Inhaltsstoffe und Wirkungen sie nicht kennen und einschätzen können.“ Oft seien auch legale Drogen, suchtgifthaltige Medikamente und Substitutionsmittel für den Tod verantwortlich. Die meisten Drogenopfer seien zwar amtsbekannt, aber: „Todesfälle aufgrund von Suchtmitteleinwirkung kann die Polizei nicht verhindern.“

Am Sonntag wurde der Suchtmittel-Bericht des Bundeskriminalamts veröffentlicht. In Kärnten wurden demnach 2017 2.210 Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz erstattet - der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre mit einem Plus von 33 Prozent. Da Anzeigen durch Geschädigte in dem Bereich selten sind, belegt die Zunahme die verstärkten Bemühungen der Polizei. Das importierte Suchtgift, das in Kärnten konsumiert wird, stammt überwiegend aus Slowenien. Ungebrochen ist außerdem der Trend, Drogen über das Internet zu bestellen. Dem Bericht zufolge wird ein weiterer Anstieg der Suchtmittelkriminalität erwartet. Bei der Beschaffungskriminalität ist die Entwicklung konstant. Laut Türk sind für Einbrüche, Diebstähle und Raubüberfälle zu einem hohen Prozentsatz Süchtige verantwortlich.

Nach Einschätzung des Landes sind zwischen 1.500 und 1.750 Kärntner drogensüchtig, gut 1.000 von ihnen sind im Substitutionsprogramm und bekommen Drogenersatzstoffe verschrieben. Als drogensüchtig gelten Menschen, die an einer schweren Abhängigkeit von Opiaten, Amphetaminen und Benzodiazepinen leiden. 2017 beantragten 20 Personen beim Land Kärnten eine stationäre Langzeittherapie, 15 von ihnen traten sie letztlich an. Der Fokus des Landes liegt auf der ambulanten Therapie. Hier gibt es 1.500 Plätze. Etwa ein Drittel der Patienten schafft es, mit der Drogensucht zu leben - etwa im Substitutionsprogramm. Bei einem Drittel werden stabile Phasen von Rückfällen unterbrochen. Ein Drittel der Drogensüchtigen gilt als „schwer krank“. Das Land Kärnten gibt jährlich drei Millionen Euro für Therapien und 270.000 Euro für Präventionsprogramme aus.

Stationäre Therapien bezahlt das Land derzeit nur in anderen Bundesländern. Der Vertrag mit dem hier ansässigen Verein Oikos wurde wegen nicht erfüllter Auflagen ausgesetzt. Bei Oikos werden deshalb aktuell nur Süchtige aus anderen Bundesländern und „Justizklienten“ betreut. Letztere sind jene Personen, die wegen Drogendelikten vor Gericht standen, denen ihre Strafe aber nachgesehen wurde unter der Auflage, dass sie eine Therapie machen. Ungefähr 30.000 Euro verrechnet der Verein der Justiz für die auf sechs Monate begrenzten Therapien. Diese bedingte Nachsicht steht bei Strafen bis drei Jahre auch jenen offen, die selbst Drogen verkauft haben.

Die Erfolge werden unterschiedlich bewertet. „Ausgeheilt gibt es bei Drogensüchtigen nicht“, sagt eine Sozialarbeiterin des Vereins. „Das ist eine chronische Erkrankung, man muss ein Leben lang daran arbeiten.“ LKA-Chef Türk überlässt eine Bewertung des Prinzips „Therapie statt Strafe“ der Justiz. Sehr kritisch äußerte sich der Rechtspsychologe Walter Hauptmann. In einem Beitrag in der „Richterzeitung“ (2016) kritisierte er sowohl den Strafnachlass als auch das Substitutionsprogramm als kaum effektiv und missbrauchsanfällig. Er plädiert für Verwaltungsstrafen schon bei kleinen Übertretungen, um Einsteiger abzuschrecken.

Das Justizministerium teilte auf Anfrage mit, dass „Therapie oder andere sozial- und gesundheitspolitische Maßnahmen häufiger zu einer Besserung oder Heilung der Betroffenen“ führten als der Strafvollzug. Stationäre Maßnahmen hätten auch einen positiven Effekt auf die Wiederverurteilungsraten, teilte ein Sprecher mit und verwies auf eine Studie des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS). In der 2010 publizierten Studie wurde in einer statistischen Analyse gezeigt, dass nach Paragraf 28 Suchtmittelgesetz Verurteilte, die Therapie statt Strafe bekamen, nicht überdurchschnittlich oft wieder verurteilt werden.