Rumänien - Empörung nach Dancilas Schreiben an EU-Kommissionsspitze
Bukarest (APA) - Die Kritik an der rumänischen Regierung reißt nicht ab. Ein Schreiben der Regierungschefin Vasilica Viorica Dancila (Postso...
Bukarest (APA) - Die Kritik an der rumänischen Regierung reißt nicht ab. Ein Schreiben der Regierungschefin Vasilica Viorica Dancila (Postsozialisten/PSD) an die EU-Kommissionsspitze, in der Dancila die Polizeigewalt gegen mehr als 100.000 Demonstranten als „rechtens“ und die Demonstration selbst als „Umsturzversuch“ bezeichnete, sorgte für heftige Kritik der Opposition sowie der Zivilgesellschaft.
Der Chef der oppositionellen Liberalen, Ludovic Orban, warf Dancila vor, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dessen Vize Frans Timmermans „unfassbare Lügen“ aufgetischt zu haben, sein Parteikollege Daniel Buda bezeichnete das Schreiben gar als „Beleidigung für die Intelligenz der Empfänger“.
Der frühere Premierminister und EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos ließ die Ministerpräsidentin am Wochenende wissen, dass „die Würde des Amtes“ ihren „sofortigen Rücktritt“ gebiete. Sie habe sich in ein Gespinst „von Lügen und Verschwörungstheorien“ verstrickt, so Ciolos mit Blick auf Dancilas Reaktion auf die Großdemonstration gegen die Regierung vor mehr als einer Woche. Der rumänische Europaparlamentarier Siegfried Muresan (EVP) sagte, er habe „noch nie einen Regierungschef erlebt, der so viele Unwahrheiten über sein eigenes Volk zu Papier bringt“.
Die Zivilgesellschaft warf Dancila vor, den bisherigen Erkenntnisstand der Ermittler völlig zu verschweigen. Bisher wurden nämlich nach Angaben der Ermittler keinerlei Indizien oder Ursachen gefunden, die die Polizeigewalt vom 10. August rechtfertigen würden.
Generalstaatsanwaltschaft und Militärstaatsanwälte ermitteln unterdessen weiterhin auf Hochtouren. Nach Angaben der Ermittler gingen bis Sonntag knapp 300 Strafanzeigen gegen die Polizei ein, 127 Opfer und Augenzeugen wurden bereits vernommen, belastendes Videomaterial gesichtet, Unterlagen des für den Einsatz zuständigen Stabs sichergestellt. Generalstaatsanwalt Augustin Lazar beklagte zunehmende „Medienattacken“ auf das Ermittlerteam und forderte die der Regierungspartei PSD nahestehenden TV-Sender auf, ihre Angriffe auf die Staatsanwälte tunlichst einzustellen.
Ihrerseits teilte Innenministerin Carmen Dan (PSD) am Sonntagabend mit, dass bisher nur drei der angeblich in die Hunderte gehenden „gewalttätigen Elemente“ verhaftet wurden, zwei davon sind Fußball-Hooligans. Als erstes Regierungsmitglied überhaupt entschuldigte Dan sich bei den „schuldlosen Opfern“, sah ein „mögliches missbräuchliches Einsatzverhalten“ jedoch bei lediglich fünf Ordnungshütern gegeben.
Die Bukarester gingen indes am Wochenende erneut auf die Straße - diesmal mit einem Flashmob. Hunderte Menschen verharrten genau eine Woche nach der Demonstration, bei der mehr als 450 Menschen verletzt wurden, mit Atemschutz- und sogar Gasmasken sowie minutenlang erhobenen Händen als Zeichen des Protests gegen die Gewaltbereitschaft der Linksregierung vor dem Regierungssitz. Die Menschen riefen „Rücktritt“, „Ihr Kriminellen“, „Neuwahlen“ und „Justiz, nicht Korruption“.