Gesundheitswesen

Länder wollen Kosten für die AUVA nicht stemmen

In Wien geht es heute auch um die strukturelle Zukunft von Bad Häring. Eine Ausgliederung in eine eigene Betriebs GmbH steht im Raum.
© Foto TT / Rudy De Moor

Nach verordnetem Sparkonzept dürfte die Unfallversicherungsanstalt AUVA heute eine Strukturreform beschließen. Länder und Kassen lehnen Kostenverschiebungen zu ihren Ungunsten ab.

Von Peter Nindler

Alpbach, Bad Häring, Wien –Der Betriebsratsvorsitzende im Rehabilitationszentrum Bad Häring, Josef Lintner, sieht dunkle Wolken aufziehen. Schließlich wird ernsthaft darüber verhandelt, die über die Landesgrenzen hinaus anerkannte Gesundheitseinrichtung gemeinsam mit den Unfallspitälern und den anderen Reha-Zentren in eine eigene Betriebs GmbH auszugliedern. Zwar weiterhin unter dem Dach der AUVA, aber dennoch. Heute dürfte bei der Vorstandssitzung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt die Weichenstellung erfolgen. „Eine eigene Betriebsgesellschaft könnte sich negativ auf das Leistungsangebot und die Personalstruktur mit alten und neuen, wahrscheinlich schlechteren Dienstverträgen auswirken“, befürchtet Lintner. Er lehnt deshalb eine Ausgliederung strikt ab.

Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) drängt hingegen auf Strukturanpassungen. Sie verweist auf ähnliche Modelle im Spitalswesen, in Tirol operieren etwa die Krankenhäuser Innsbruck, Hall, Natters und Hochzirl unter dem Dach der Tirol Kliniken. Offenbar ist der Widerstand in der AUVA aber massiv, bis gestern Abend wurde deshalb über die strukturelle Zukunft der AUVA-Einrichtungen gerungen. Möglicherweise bleiben Spitäler und Reha-Kliniken direkt bei der AUVA angesiedelt und werden künftig von einer zentralen Betriebsdirektion geführt.

Das Geld ist die andere Baustelle: 430 Millionen Euro sollen eingespart und 295 Millio- nen davon an versicherungsfremden Leistungen gekappt werden. Die größten Brocken sind mit 150 Millionen Euro die Pauschalabgeltung für die Spitäler in den Ländern und der Zuschuss für die Entgeltfortzahlung nach Unfällen. Der Pauschalbetrag umfasst Aufwendungen in der Behandlung von Arbeitsunfallopfern außerhalb von AUVA-Spitälern. In Tirol gibt es bekanntlich keines.

Doch wer bezahlt in Zukunft diese Leistungen? Geht es nach den Plänen der Sozialministerin, sollen die zu vier Sozialversicherungen zusammengelegten Krankenkassen das übernehmen, u. a. die Österreichische Gesundheitskasse mit ihren neun Länderfilialen. Bisher haben sie das Geld von der AUVA erhalten. Für den Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungen Alexander Biach ist das derzeit nicht realistisch. „Das können die Kassen nicht finanzieren.“ Die Länder winken ebenfalls ab. Für den steirischen Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) ist es unerheblich, ob der Ansprechpartner die Steirische Gebietskrankenkasse oder die Österreichische Gesundheitskasse Landesstelle Steiermark heißt. Aus den Landestöpfen soll jedenfalls keine finanzielle Kompensation erfolgen.

In die Vollen geht der Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (VP). „Ich mache erst eine Pressekonferenz, wenn ich ein fertiges Konzept habe“, wirft er Sozialministerin Hartinger-Klein unprofessionelles Vorgehen vor. Es gebe eine bis 2021 aufrechte Bund-Länder-Vereinbarung zur Gesundheitsreform, die auch die Finanzierung beinhaltet. Tilg pocht darauf, dass die Verträge zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen eingehalten werden. Wiens Gesundheitsreferent Peter Hacker schlägt in dieselbe Kerbe: Wegen einer Strukturreform könne man es sich nicht leisten, auf die Stopptaste bei der Gesundheitsreform zu drücken.

Ein Thema sind naturgemäß die Freizeitunfälle, welche die AUVA rund 190 Millionen Euro jährlich kosten und die eigentlich nichts mit ihrem Gründungsgedanken zu tun haben. Hier forciert etwa die Tiroler Wirtschaftskammer eine verpflichtende Freizeitunfallversicherung, weil Arbeitsunfälle im Vergleich zu Freizeitunfällen längst in der Minderzahl seien. „Die bisherige Handhabung hat diese Probleme zugedeckt und die AUVA finanziell schwer belastet. Die Einführung einer Pflichtversicherung für Freizeitunfälle seitens der Arbeitnehmer ist längst überfällig und die einzig faire Lösung in dieser Frage“, erklärt Wirtschaftskammerpräsident Jürgen Bodenseer.

Heute ist einmal der AUVA-Vorstand mit seinem Reformkonzept am Zug. Sieben Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sitzen sich gegenüber, bei einem Patt entscheidet die Stimme des Obmannes. „Und der kommt aus der Wirtschaft“, glaubt der Bad Häringer Betriebsratsvorsitzende Josef Lintner, „dass ohnehin schon alles zwischen Regierung und AUVA-Obmann ausgemacht ist“. Der Vorstand tagt zu Mittag, danach dürfte es wohl mehr Klarheit geben, wohin die Reise – nicht nur für Bad Häring – geht.

Die AUVA

Struktur. Die AUVA betreibt sechs Unfallspitäler in Österreich und vier Rehabilitationszentren. Eines der bekanntesten ist jenes in Bad Häring im Tiroler Unterland. In Tirol gibt es kein eigenes Unfallspital, alle bei Arbeitsunfällen Verletzten werden in den Landes- bzw. Bezirkskrankenhäusern behandelt.

Versicherte. Insgesamt sind bei der gesetzlichen Unfallversicherungsanstalt (Stand 2017) 5,012 Millionen Österreicher versichert, davon 282.059 Arbeiter, 1,764.839 Angestellte, 537.697 Selbstständige sowie 1,427.998 Schüler, Studierende und Kindergartenkinder. In den Einrichtungen der AUVA werden jährlich über 370.000 Patienten versorgt, davon mehr als 46.000 stationär. Im Vorjahr gab es 158.671 Arbeitsunfälle, in Tirol 11.700.

Selbstverwaltung. Wie alle Sozialversicherungsträger ist auch die AUVA nach dem Prinzip der Selbstverwaltung organisiert. Die Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsenden ihre Funktionäre in die Organe der Selbstverwaltung, im Vorstand sitzen je sieben Vertreter von Arbeitgeber- und -nehmerseite. Bei der AUVA werden rund 5900 Mitarbeiter beschäftigt. In Bad Häring arbeiten 235 Mitarbeiter.

Budget und Aufwand: Rund 1,371 Milliarden Euro wurden im Jahr 2016 aufgewendet. Die größten Brocken entfielen dabei auf die Unfallrenten (504 Millionen Euro) und die Behandlung von Patienten (442 Millionen Euro). Der Verwaltungsaufwand wird mit 92,4 Millionen Euro beziffert. Die gesetzlich verpflichtenden Leistungen machen rund 862 Millionen Euro im Jahr aus.

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