EU feiert das Ende der Griechenland-Rettung
Athen (APA/dpa) - Nach acht Jahren Griechenland-Krise haben die Spitzen der Europäischen Union am Montag den Abschluss des letzten Rettungsp...
Athen (APA/dpa) - Nach acht Jahren Griechenland-Krise haben die Spitzen der Europäischen Union am Montag den Abschluss des letzten Rettungsprogramms gefeiert. „Ihr habt es geschafft“, twitterte EU-Ratspräsident Donald Tusk und gratulierte dem griechischen Volk. EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici sprach vom Ende einer existenziellen Krise für die Eurozone. Zweifel an Krisenfestigkeit bleiben aber.
In Athen fielen ursprünglich geplante Feiern allerdings aus. Am Montag endete das 2015 aufgelegte Kreditprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM - das dritte Hilfspaket für Athen seit 2010. Insgesamt flossen nach ESM-Angaben binnen acht Jahren 289 Mrd. Euro vergünstigter Kredite an Athen - im Gegenzug für drastische Reformen und Sozialkürzungen. Seither haben sich Haushaltsdefizit, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung verbessert, doch lastet ein Schuldenberg von 180 Prozent der Wirtschaftsleistung auf dem Land. Die Gläubiger wollen mit strikten Kontrollen eine Abkehr von der Reformpolitik verhindern. Schon in der Woche ab dem 10. September sollen wieder Experten der Kreditgeber nach Athen reisen.
Lisa Mittendrein von Attac Österreich warnt davor, dass Griechenland die Auflagen nicht einhalten kann, „weil sie völlig unrealistisch sind“. Guntram Wolff, Direktor des Bruegel-Institutes in Brüssel, hat „große Zweifel“, dass internationale Investoren ins Land kommen werden.
Das Land brauche aber Investoren, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Wolff sagte im „Mittagsjournal“, dass er davon ausgehe, dass Griechenland sich einige Jahre „durchwursteln“ werde, aber bei der nächsten schärferen Rezession „wird es wieder krachen“. Die Rückzahlung der Schulden sei zwar momentan leicht gemacht worden, der Schuldenberg hänge aber wie ein Damokles-Schwert über Griechenland, „das wissen die internationalen Investoren“. Daher sei fraglich, ob ausreichend Stabilität entstanden sei. Die EU habe die Chance verpasst, großzügiger zu sein.
Griechische Medien kommentierten das Auslaufen des letzten Hilfsprogramms deshalb am Montag gemischt. Zwar ende nun der „Alptraum der Hilfsprogramme“, titelte das regierungsnahe Blatt „Kontra News“. Oppositionszeitungen verwiesen aber auf die weiter laufenden Kontrollen: Von einer Entlassung „mit elektronischer Fußfessel“, schrieb die konservative Zeitung „Phileleftheros“. Deutsche Oppositionspolitiker äußerten sich düster zur Zukunft des überschuldeten Euro-Landes.
Ministerpräsident Alexis Tsipras hielt sich zunächst zurück und stellte lediglich eine Ansprache an das Volk in Aussicht. Ursprünglich geplante Feierlichkeiten unterhalb der Akropolis wurden laut Medienberichten wegen der Brand-Tragödie mit mindestens 96 Opfern im Osten Athens am 23. Juli aufgegeben.
Mit Spannung wurde erwartet, ob und wie sich Griechenland nun wieder an den Finanzmärkten Geld leihen kann. Eurogruppen-Chef Mario Centeno gab sich zuversichtlich, dass das Land ohne weitere Hilfsprogramme finanziell auf eigenen Beinen stehen kann. Auch Finanzkommissar Moscovici betonte, die von den Geldgebern geforderten Reformen hätten die Wirtschaft, die öffentliche Verwaltung und die Sozialsysteme in Griechenland modernisiert. Darauf müsse man nun aufbauen.
Nicht nur deutsche Unternehmen hoffen, dass Griechenland nun auch als Markt wieder interessant wird. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Joachim Lang, nannte das Ende des Hilfsprogramms in der „Rheinischen Post“ ein positives Signal.
Ganz anders Griechenlands ehemaliger Finanzminister Gianis Varoufakis, der in der „Bild“-Zeitung klagte: „Griechenland steht am selben Punkt, im gleichen schwarzen Loch und es versinkt jeden Tag tiefer darin.“ Der Staat sei noch immer pleite, die privaten Leute seien ärmer geworden, Firmen gingen noch immer bankrott und das Bruttosozialprodukt sei um 25 Prozent gesunken.
Große Ratingagenturen hatten die Kreditwürdigkeit Griechenlands zuletzt positiver bewertet. Dies bedeutet in der Regel sinkende Kosten bei der Schuldenaufnahme. Kleinste Turbulenzen wie etwa die Türkei-Krise können aber auch Griechenland in Mitleidenschaft ziehen. Das Land kann sich allerdings Zeit lassen: Es verlässt den Rettungsschirm mit Rücklagen von rund 24 Mrd. Euro und könnte sich notfalls knapp zwei Jahre lang selbst finanzieren.
Die Auswirkungen der Sparprogramme sind gravierend. Viele Einwohner spüren nichts von der Stabilisierung des Landes. Die meisten Menschen haben rund ein Viertel ihres Einkommens verloren. Noch immer ist jeder Fünfte arbeitslos, gut 400.000 gut ausgebildete meist junge Menschen, darunter viele Ärzte und Ingenieure, sind ausgewandert.
Den Gläubigern musste Athen versprechen, bis 2022 im Haushalt einen jährlichen Primärüberschuss - also ohne Zahlungen für den Schuldendienst - von 3,5 Prozent erreichen. Bis 2060 sollen dann jährlich 2,2 Prozent erzielt werden.