Deutschland lehnt Diskussion über Finanzhilfen für Türkei ab
Berlin/Ankara (APA/Reuters) - Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel denkt nicht über Finanzhilfen für die wirtschaftlich angeschlagene ...
Berlin/Ankara (APA/Reuters) - Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel denkt nicht über Finanzhilfen für die wirtschaftlich angeschlagene Türkei nach. Merkel sehe keine Notwendigkeit über Hilfen zu sprechen, twitterte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag. Präsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigte indes seine Vorwürfe, gegen sein Land werde ein Wirtschaftskrieg geführt.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, etwaige Hilfen für die Türkei stünden nicht im Vordergrund der Beratungen mit der türkischen Führung vor dem für Ende September geplanten Deutschland-Besuch Erdogans. Der Sprecher des Finanzministeriums wies einen Medienbericht zurück, wonach bei einem Telefonat zwischen Finanzminister Olaf Scholz und seinem türkischen Kollegen Berat Albayrak der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Rolle gespielt habe.
Hintergrund sind Spekulationen, die Türkei könne den IWF um Finanzhilfen bitten. Erdogan soll dem jedoch wegen der damit verbundenen Auflagen ablehnend gegenüberstehen. Scholz und Albayrak wollen sich am 21. September in Berlin treffen, um den Staatsbesuch vorzubereiten.
Die Debatte über Finanzhilfen hatte SPD-Chefin Andrea Nahles am Wochenende ausgelöst. „Es kann die Situation entstehen, in der Deutschland der Türkei helfen muss“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Seibert bekräftigte mit Blick auf diese Einschätzung nur, Deutschland habe ein Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei.
Unionspolitiker lehnten Türkei-Hilfen ab. Die Probleme der türkischen Wirtschaft seien in erster Linie hausgemacht, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, im Deutschlandfunk. Etwaige Hilfen für die Türkei seien Aufgabe des IWF, erklärte EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) in Berlin. Er sehe den Handlungsbedarf ebenfalls zuallererst in Ankara.
In einer Ansprache aus Anlass der muslimischen Festtage Eid al-Adha (viertägiges Opferfest) sprach Erdogan erneut von wirtschaftlichen Attacken auf die Türkei, die er mit Angriffen auf die Religion gleichsetzte: „Der Angriff auf unsere Wirtschaft unterscheidet sich in nichts von einem Angriff auf unseren Ruf zum Gebet oder auf unsere Flagge.“ Das Ziel sei dasselbe, das türkische Volk solle gefangen genommen werden.
Erdogan nannte keine Urheber der von ihm ausgemachten Angriffe. Er hat aber zuvor eine im Verborgenen handelnde „Zins-Lobby“, westliche Ratingagenturen und Financiers genannt. Am Freitag stuften die Agenturen Moody‘s und S&P die Kreditwürdigkeit der Türkei noch tiefer in die Ramschzone ab.
Zudem drohen die USA im Streit über den unter Hausarrest stehenden US-Pastor Andrew Brunson mit weiteren Sanktionen. Präsident Donald Trump fordert seit Wochen die Ausreise des Geistlichen und hat deswegen bereits Handelsbeschränkungen für bestimmte Produkte aus der Türkei erlassen und weitere in Aussicht gestellt.
Türkische Behörden verdächtigen den US-Bürger zu den Unterstützern der Putschisten gehört zu haben. Die USA und die Türkei haben im Zuge des Streits gegenseitig Strafzölle verhängt. Nach Angaben der Welthandelsorganisation WTO reichte die Türkei eine Beschwerde gegen US-Zölle auf türkische Stahl- und Aluminium-Importe ein.
Wie angespannt die Lage ist, zeigte ein Anschlag auf die US-Botschaft in Ankara am Montagmorgen. Die Behörden nahmen zwei Verdächtige fest. Sie hätten zugegeben, gegen 05.30 Uhr Ortszeit sechs Schüsse aus einem vorbeifahrenden Wagen abgefeuert zu haben. Drei Kugeln hätten eine eiserne Tür und ein Fenster getroffen. Verletzt worden sei niemand.
„Dies ist ein klarer Versuch, Chaos zu stiften“, sagte ein Sprecher Erdogans. Die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Botschaft und andere US-Vertretungen seien erhöht worden. Zwei Verdächtige wurde nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Stunden nach dem Vorfall festgenommen und verhört, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Montagabend.
Auch die Beziehungen zu Deutschland sind angespannt. Außenminister Maas begrüßte zwar am Montag die Ausreisegenehmigung für die Journalistin Tolu. Er forderte aber auch die Freilassung weiterer Deutscher in der Türkei. „Derzeit sind mindestens sieben Deutsche aus politischen und für uns nicht nachvollziehbaren Gründen inhaftiert“, sagte der SPD-Politiker.
Tolu werden Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Terrorpropaganda vorgeworfen. Ihr Prozess soll am 16. Oktober fortgesetzt werden. Sie hat die Vorwürfe stets bestritten. Tolu war Ende 2017 nach mehr als sieben Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden, durfte die Türkei aber nicht verlassen.
~ WEB http://www.imf.org
http://www.wto.org/ ~ APA433 2018-08-20/19:54