Pressestimmen zur Niederschlagung des Prager Frühlings vor 50 Jahren
Prag/Bratislava (APA/dpa) - Zahlreiche tschechische, slowakische sowie russische Tagezeitungen haben am Dienstag den 50. Jahrestag der Einma...
Prag/Bratislava (APA/dpa) - Zahlreiche tschechische, slowakische sowie russische Tagezeitungen haben am Dienstag den 50. Jahrestag der Einmarsches durch Truppen des Warschauer Pakts zur Niederschlagung des „Prager Frühlings“ kommentiert:
„Mlada fronta Dnes“ (Prag):
„Der August 1968 war ein harter Schlag in das Rückgrat des vom nationalsozialistischen Deutschland angeschlagenen Volkes. Die beiden Okkupationen sind bis heute das größte nationale Trauma. Das nächste Mal bleibt uns nichts anderes übrig als uns zu verteidigen (...) Wir sollten uns merken, dass wir uns künftig jenem mit der Waffe in der Hand stellen müssen, der uns die Freiheit wieder nehmen will. Nur so können wir unsere stärksten nationalen Traumata loswerden, einschließlich jenes von 1968“.
„Lidove noviny“ (Prag):
„Der 21. August 1968 ist wohl das am wenigsten umstrittene Ereignis unserer modernen Geschichte. Während der Februar 1948 (Machtübernahme durch die Kommunisten, Anm.) oder der November 1989 (Fall des Kommunismus, Anm.) ihre Sieger und Besiegte haben, wird die sowjetische Invasion einheitlich als ein Verrat und eine Aggression abgelehnt. Darin ist der 21. August einzigartig (...) Bis zum 21. August 1968 wollte hier niemand das Bündnis mit Moskau aufkündigen oder gar den Sozialismus abschaffen. Es ging um die Gerechtigkeit für die zu Unrecht Verurteilten, für die Meinungsfreiheit und um eine Chance für die Gewerbetreibenden. Für die radikalen Anhänger von Breschnew war das zu viel. Und für die radikale Linke im Westen zu wenig“.
„Pravo“ (Prag):
„Das kommunistische Regime war nach 1968 nach Außen völlig restauriert, allerdings verlor er sein Ethos, das es für einen nicht kleinen Teil der Nachkriegs-Bevölkerung hatte (...) Das durch sowjetische Panzer gestützte Regime hielt länger aus als jenes, das auf deutschen Bajonetten stand. Als aber die Unterstützung durch Moskau zu Ende ging, zeigte sich, dass sich die Kommunisten in einem Vakuum befanden und nicht imstande waren auch nur den kleinsten Hauch einer politischen Veränderungen zu begegnen. Das Jahr 1989 war ein Erbe der sowjetischen Okkupation genauso wie das Jahr 1948 (Machtübernahme der Kommunisten, Anm.) das Erbe der nationalsozialistischen Okkupation“.
„Hospodarske noviny“ (Prag):
„Zwei Tage vor dem 50. Jahrestag der sowjetischen Besetzung der Tschechoslowakei hat der russische Präsident Wladimir Putin einen Ausflug nach Österreich und Deutschland gemacht. Bei den südlichen Nachbarn Tschechiens tanzte er auf der Hochzeit der Außenministerin, bei den westlichen verhandelte er über strategische Fragen wie den Erdgashandel und den Krieg in Syrien.
In den Augen des liberalen Teils der tschechischen Gesellschaft stellt sich das so dar: In der sensiblen Zeit der Erinnerung an die Okkupation nähern sich unsere Nachbarn einem gefährlichen Regime an, das unser Territorium immer noch für seine Einflusssphäre hält. Es ist ein Regime, das Menschenrechte nur für einen Slogan des verweichlichten Westens hält. (...) Andererseits geht es nicht darum, dass es vernünftig wäre, Russland ganz zu ignorieren oder zu hassen. Die westlichen werfen den östlichen Mitgliedern von EU und NATO oft Russophobie vor - und nicht immer grundlos.“
„Sme“ (Bratislava):
„Es gibt Ereignisse, die Regime bis auf die Knochen entlarven. Sie wischen aus ihren Gesichtern das Lächeln der entschlossenen Erneuerer, entreißen ihnen ihre Kostüme und Kulissen wie hungrige Ratten. Doch auch dann kann das Absterben dieser Regime noch lange dauern. Die sowjetische Okkupation der Tschechoslowakei war ein solcher Moment. Der Marxismus vernebelte, die Ideologie entleerte sich und es blieb nur eine Partei, an die sich Opportunisten anbiederten. Diese erschleimten sich ihre Machtpositionen, manche zur Belohnung für längst vergangene Verdienste, manche zu einem Preis, mit dem sie sich lieber nicht brüsteten.
Manche erwachten in jener Augustnacht 1968 nicht nur aus ihrem Schlaf, sondern auch aus der Illusion darüber, dass es den kommunistischen Führern um etwas Anderes als nur die Macht gegangen war. Ab dem Augenblick, als die Panzer die Grenzen überschritten, war klar, dass ein Regime, das eine solche Gewalt gegen seine eigenen Bürger erlaubte, vor nichts zurückschrecken werde.“
„Iswestija“ (Moskau):
„Unsere tschechischen Freunde sollen einmal ehrlich sagen, was sie an unserer Stelle getan hätten. Hatte die Sowjetunion eine Wahl? Denn der Beschluss zum Truppeneinmarsch fiel angesichts massenhafter Racheakte an Kommunisten in der Tschechoslowakei: Menschen wurden auf die Straße gezerrt und gelyncht. Diese Bestialitäten einer guten organisierten Menge mussten gestoppt werden. Und genau das haben die Truppen des Warschauer Paktes (Sowjetunion, Polen, Ungarn, Bulgarien und andere) in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 getan.“