Radweltpokal: 50. Auflage eines Familientreffens
Der Radweltpokal in St. Johann – seit der ersten Auflage im Jahr 1969 das Synonym für Senioren-Rennsport. Unter der Familie Baumann wuchs ein Fixpunkt heran, der eine Brücke zwischen damals und heute schlägt.
Von Florian Madl
Innsbruck — Ein wenig Vergangenheit schwingt bei den internationalen Senioren-Radrennen in St. Johann immer mit. Heuer sind es Vintage-Räder, also Drahtesel im Retro-Style. Und der Name Harald Baumann schlägt von der Premiere im Jahr 1969 zur heurigen Auflage, der 50., ohnehin eine Brücke.
Familienunternehmen: Harald Baumanns Uronkel war Gründungsmitglied des Tiroler Radsportverbands, dem ältesten des Landes (1896). Auch sein Vater Franz war ein Radsport-Urgestein. Der ehemalige deutsche Jugend-Radmeister rief die internationalen Senioren-Rennen in St. Johann schließlich ins Leben und übergab nach 25 Auflagen im Jahr 1994 an Harald Baumann.
Hofübergabe I: Nur wenige Monate nach der Rochade starb Baumann senior, der Junior übernahm. „Ich kenne ja nichts anderes", winkt der mittlerweile 75-jährige Harald Baumann, amtierender Tiroler Radpräsident, ab. Und in der Tat: Der Innsbrucker stand von Kindheit an stets am Straßenrand, fuhr selbst auf Amateurniveau Rennen, lief als Litfasssäule zur Bewerbung von Veranstaltungen durch die Maria-Theresien-Straße. Kein Wechselberger, kein Steinmayr, kein Totschnig — niemand hat den Sport hierzulande so im Blut wie er.
Kommerzialisierung: Der Radweltpokal — eine Mischung aus Familientradition und Herzensangelegenheit. 3000 Schweizer Franken Gebühr musste Harald Baumanns Vater bei der Premiere in St. Johann an den Radsport-Weltverband zahlen, der sich wiederum zur Abwicklung von Dopingkontrollen und zur Bereitstellung von Funktionären verpflichtete. Damals lief manches unter dem Deckmantel Masters-Rad-WM, doch dieses Attribut verlor man. „Die UCI wollte Geld sehen, aber wir konnten uns das nicht leisten." Mittlerweile beträgt das Budget der Renntage 150.000 Euro, die lassen keinen Spielraum zu. Und Harald Baumann verdient auch nichts daran, dass er sich für das Event die Nacht um die Ohren schlägt: „Es ist halt mein Hobby."
Streckenrand: Die Rennwoche trieb allerhand bunte Blüten und sorgte für schöne Anekdoten abseits des Sports. So lernten sich Ehepaare in St. Johann kennen, Freunde fürs Leben sowieso. Harald Baumann weiß: „Viele kommen hauptsächlich, um einmal im Jahr ihre Bekannten von früher zu treffen und mit ihnen Rennen zu fahren." Aus Australien, den USA, Asien, Europa, Afrika. Kein Kontinent fehlt unweit des Wilden Kaisers. 2500 Starter jährlich waren es zu Beginn, als Baumann senior noch Regie führte. Heuer sind es 1800, die Zahl schwankt.
Todesfälle: Derer erinnert sich Harald Baumann ungern, sie sind aber untrennbar mit seinen Rennen verbunden. Drei Tote (zwei Stürze, ein Herzinfarkt) verzeichnete man in St. Johann. Auch einer seiner Freunde befand sich unter den Verunglückten — 50 Meter vor dem Zielstrich war der Deutsche bei einer Kollision ums Leben gekommen.
Dopingfälle: Auch davor war man nicht gefeit: „Eine Handvoll, vielleicht fünf", schätzt Harald Baumann und verweist auf die Vielzahl an Startern. Auch ein Fall von „Elektromotor-Doping" zählt dazu: „Wir bekamen eines Tages ein Anschuldigungs-Mail. Als uns der Verdächtige kurz vor dem Start sah, drehte er um und verschwand." Die Vermutung bestätigte sich wenig später bei einer Inspektion, die eingeforderte Rückerstattung des Nenngelds war kein Thema.
Hymnen-Anekdote: Ausgerechnet während des Zerfalls der Sowjetunion sollten drei Weißrussen einen Bewerb gewinnen. Weil kein Tonband der Hymne verfügbar war, sangen die Athleten kurzerhand selbst.
Hofübergabe II: Harald Baumann übergibt demnächst an seine Söhne Alex und Michael bzw. an Christian Wanner. Für eine weitere Generation Radsport.
Radweltpokal - Ergebnisse
Airport-Sprint (1000 m): Sieger Herren: Kenneth Mercken (BEL) 1:16,90 Min. Frauen: Ulrike Hofmann (GER) 1:31,24.
Bergrennen (2,5 km/370 hm): Sieger Herren: Giacomo Sartori (ITA) 9:41,34.
Weitere Infos und Ergebnisse: www.radweltpokal.org/de/