Welches Medikament zu dir passt
Die Gene eines Menschen bestimmen, wie sein Körper bestimmte Arzneien verarbeitet und wie sie wirken. Mithilfe einer Gen-Analyse lassen sich daher Therapieerfolge einschätzen und Nebenwirkungen vermeiden.
Von Gabriele Starck
Salzburg –Warum löst ein Medikament bei manchen Patienten Nebenwirkungen aus und bewirkt dafür bei anderen überhaupt nichts, auch nicht das Erwünschte? Weil uns nicht nur Geschlecht, Alter und Gewicht voneinander unterscheiden. Eine wichtige Rolle spielt auch der höchstpersönliche Gen-Pool eines Menschen – die DNA. Einige der Gene können Variationen aufweisen, was sich wiederum auf die Enzyme auswirkt, die für den Abbau der Arzneimittel zuständig sind.
Durch die individuelle Zusammensetzung des Bauchladens an Enzymen kann es sein, dass die standardisierte Dosierung eines Medikaments falsch ist. Entweder, weil der Wirkstoff zu schnell vom Körper abgebaut wird und so Wirkungslücken entstehen. Oder es entstehen Nebenwirkungen durch eine Überdosierung, weil der Wirkstoff zu langsam abgebaut wird und sich im Körper ansammelt.
Die Folge sei nicht nur Leid für die Patienten, sondern auch ein allein in Österreich Hunderte Millionen schwerer volkswirtschaftlicher Schaden durch die Behandlungskosten der Nebenwirkungen und Arbeitsunfähigkeit, sagt Alexandra Schertler, Managing Director von PharmGenetix.
Das junge, forschungsbasierte Unternehmen will Abhilfe schaffen. Es stellt für jeden Patienten individuell fest, welche Wirkstoffe in welcher Dosierung ihren Zweck erfüllen und in welchen Kombinationen mit anderen Präparaten sie bei ihm vereinbar sind. Dazu bedient es sich des im Medizin-Studium noch kaum berücksichtigten Fachs der Pharmakogenetik (Kasten).
Das Prozedere ist einfach: Der Arzt nimmt mit einem von der Firma zur Verfügung gestellten Set Blut ab und schickt dieses ins Labor nach Anif. Dort wird es von Wissenschaftern und mit Hilfe einer speziell entwickelten Software analysiert. Binnen weniger Tage hat dann der Arzt die Ergebnisse auf dem Tisch, die ihm sagen, welche Wirkstoffe aufgrund der Gene des Patienten gewechselt oder anders dosiert werden sollten. „Wir sehen uns als Partner des Arztes, da wir ihm zusätzliche Informationen geben, die ihm sonst nicht zur Verfügung stünden“, sagt Schertler (siehe Kasten).
Dabei würden derartige Analysen durchaus auch Leben retten, weil schneller und gezielter therapiert werden könne. So dauere es etwa in der Psychiatrie statt der durchschnittlich sechs bis neun Monate im Schnitt nur noch wenige Wochen, den Patienten auf Antidepressiva einzustellen, erklärt Schertler. Bei der Blutverdünnung zur Prophylaxe sei die individuelle Dosierung entscheidend. Aber auch bei Transplantationen oder in der Onkologie seien derartige Untersuchungen notwendig, auch hinsichtlich von Wechselwirkungen. So könne es etwa sein, dass ein Antidepressivum die Krebsmedizin unwirksam mache, nennt Schertler ein Beispiel.
Auch wenn das Labor im Salzburger Anif angesiedelt ist, in PharmGenetix steckt auch viel Tirol drin – zumindest, was das Basis-Know-how betrifft. Denn die beiden Gründer, der Wirtschaftswissenschafter Walter Schertler sowie der Pharmakologe und Mediziner Markus Paulmichl, haben an der Uni Innsbruck studiert und etliche Jahre gewirkt, bevor sie an andere Universitäten berufen wurden.
Bei seiner Arbeit greift PharmGenetix nicht nur auf die weltweite Datenbank zurück, die von Forschungseinrichtungen und den Pharmafirmen gespeist wird. Es sucht auch selbst nach weiteren Genvariationen. So habe die wissenschaftliche Leiterin, Charity Nofziger, allein im vergangenen Jahr um die 14 neue Mutationen entdeckt, darüber in renommierten Fachjournalen publiziert und die Erkenntnisse wiederum in die Datenbank eingespeist.
Diese Forschungskompetenz unterscheide PharmGenetix auch von anderen Anbietern, meint Schertler. „Wir nehmen nicht nur die bei uns gängigsten Gen-Variationen, sondern testen auch sehr seltene Mutationen, die beispielsweise nur in den Bergen von Mexiko oder bei dunkelhäutigen Menschen vorkommen.“
Dass die Pharmakogenetik Gesundheitskosten einsparen kann und damit Zukunft hat, wisse inzwischen auch die Politik, sagt Schertler. So sei im österreichischen Regierungsprogramm die „schrittweise Etablierung der Pharmakogenetik in der Onkologie und Polypharmazie“ (gleichzeitiger Gebrauch mehrerer Arzneimittel, Anm.) festgeschrieben. Derzeit werden die Kosten für eine Analyse (zwischen 250 bis 1800 Euro, je nachdem, was alles getestet wird) nur von einigen privaten Versicherungen teilweise übernommen.
Genotyp und Lebensstil
Die Phamakogenetik beschäftigt sich mit dem Einfluss der unterschiedlichen genetischen Ausstattung auf die Wirkung von Arzneien. Sie erlaubt damit Vorhersagen über die individuelle Wirkung eines Arzneimittels und ermöglicht eine bedarfsgerechte Dosierung. „Bei Kindern mit einer Lymphatischen Leukämie ist die Bestimmung des Genotyps bereits verpflichtend", erklären die Leiterin des Zentrallabors der Tirol Kliniken, Andrea Griesbacher, und der Hämatologe Lorin Loacker.
Eine Analyse sei nicht in jedem Fall sinnvoll, sehr wohl aber bei Therapien, die beispielsweise nur einen kleinen Bereich für eine optimale Dosierung aufweisen (Blutverdünner), oder bei jenen, die ein Risiko für schwere unerwünschte Nebenwirkungen bergen, wie etwa bei Krebs.
Vergessen dürfe man aber auch nicht, dass neben dem Genotyp noch andere Faktoren für die Wirksamkeit und Dosierung von Medikamenten wichtig sind, betonen Griesbacher und Loacker und sprechen Vorgeschichte und Lebensstil des Patienten an. Dafür können die Gene nämlich nichts. All das müsse der Arzt bei der Entscheidung mitberücksichtigen. „Es ist wie ein Puzzle", sagt Griesbacher. Eines, in dem das Bewusstsein für das Teilchen Pharmakogenetik durchaus ausbaufähig sei. (sta)