Wiener Grüne - Kraus will „Kurz-Klonen“ mit „Gegenentwurf“ kontern

Wien (APA) - Gemeinderat Peter Kraus (31) hat am Sonntag als erster seine Kandidatur als künftige Nummer 1 der Wiener Grünen öffentlich gema...

Wien (APA) - Gemeinderat Peter Kraus (31) hat am Sonntag als erster seine Kandidatur als künftige Nummer 1 der Wiener Grünen öffentlich gemacht. Er will den „Kurz-Klonen“, die die Offenheit der Bundeshauptstadt bedrohten, mit progressiver Politik kontern. Einschnitte in Sachen Mindestsicherung werde es mit ihm nicht geben, sagt er im APA-Interview. Das Essverbot in der U-Bahn sieht er kritisch.

„Wien war für mich immer ein Versprechen: Offenheit, Freiheit, eine Stadt, in der jeder so leben kann wie er will. Und ich habe Sorge, dass dieses Versprechen bedroht ist. Es gibt Schwarz-Blau zwar derzeit nur in der Bundesregierung, aber es gibt diese Kurz-Klone (gemeint ist Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP, Anm.) auch in Wien und die bedrohen dieses offene Wien“, indem sie „derart den politischen Ton angeben, dass sich alle danach ausrichten“, analysiert Kraus.

Deshalb ist es ihm wichtig, „dass wir hier aus eigener Kraft und nicht aus Reaktion auf die Rechten und Konservativen einen Gegenentwurf formulieren“: „Wir müssen wieder aus der Schockstarre aufwachen - das betrifft die Grünen, aber auch das ganze progressive Spektrum.“

Inhaltlich will es sich neben dem Kampf gegen den Klimawandel und gegen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich vor allem dem Thema Leistbares Wohnen widmen. Neben 13.000 neuen Wohnungen in Wien pro Jahr brauche es jedenfalls eine Mietrechtsreform. Das ist momentan Bundesmaterie, wobei sich Kraus hier mehr Spielraum auf Länderebene wünscht: „Wenn der Bund keine Reform schafft, wäre ich dafür, dass wir uns dafür einsetzen, in Wien ein Mietrechtsgesetz zu schaffen - sprich das Mietrecht in die Landeskompetenz zu bekommen, zumindest über weite Teile. Denn dann können wir sicherstellen, dass die Wiener Mieten im privaten Bereich wieder kontrollierbar werden.“

Lob gab es seitens des möglichen grünen Spitzenkandidaten für die Wien-Wahl 2020 für Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) in Bezug auf die rot-grüne Bauordnung und die erst kürzlich präsentierte neue Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“. Wenn Rot-Grün Gestaltungswillen zeige, könne man auch Wahlen gewinnen, ist er überzeugt: „Was glaube ich nicht funktioniert, ist - so wie das Teile in der SPÖ machen, etwa im Burgenland -, dass man sich immer nach den Rechtskonservativen ausrichtet.“

Wobei Kraus aber offenbar auch nicht mit allen Maßnahmen des neuen SPÖ-Regierungsteams in Wien glücklich ist - etwa mit dem baldigen generellen Essverbot in den U-Bahnen. „Für mich ist Wien Offenheit, Zusammenhalt, Solidarität. Ich kann schon verstehen, dass es Leute stört, wenn es in einer U-Bahn stinkt. Ich bin aber nicht der Meinung, dass man alles mit Verboten lösen kann, sondern dass man mehr auf das Miteinander der Fahrgäste appellieren hätte können. Aber ich teile den Regierungskollegen keine Haltungsnoten aus. Das müssen sie selber argumentieren.“

Ganz klar spricht sich der grüne Bewerber jedenfalls gegen Einschnitte bei Sozialleistungen aus. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte etwa in Sachen Mindestsicherung die Einführung einer möglichen Wartefrist nicht ausgeschlossen. „Man sollte nicht darüber diskutieren, ob man Leuten, die eh schon wenig haben, noch was wegnimmt. Da befinden wir uns am Spielfeld von Schwarz-Blau“, so Kraus: „Ich will darüber reden, wie man Leuten helfen kann, wieder aus eigener Kraft auf die Beine zu kommen. Sozialleistungen nach unten zu schrauben, wird es mit mir sicher nicht geben.“

Was die Wiener Grünen selbst betrifft, will Kraus mit „alten Mustern“ brechen. Dazu gehört auch der Dauerbrenner Heumarkt-Hochhaus, das parteiintern höchst umstritten ist. „Darüber ist schon so viel diskutiert worden. Ob es wirklich das Zukunftsprojekt für die Stadt ist, glaube ich nicht. Es stimmt, dass die Grünen das nicht gut gemanagt haben“, räumt er ein. „Alte Muster führen dazu, dass interne unterschiedliche Meinungen nicht ausdiskutiert und gelöst, sondern zugespitzt werden. Das halte ich für sehr gefährlich und damit würde ich gerne brechen und sagen: Wir sind Teil einer Partei, wir stehen für ein progressives Wien. Schauen wir, was uns verbindet und nicht, was uns trennt.“

Was sein Antreten für die Spitzenkandidatur betrifft, habe er sich über den Sommer endgültig entschieden, in den Ring zu steigen. Schon vor dem Start des Bewerbungsprozederes an die Öffentlichkeit gegangen zu sein, will er nicht als Foul an dem etwaigen Kontrahenten, Klubchef David Ellensohn, sehen: „Es war von Anfang an geplant, offen und ehrlich zu sagen, dass und warum ich kandidiere. Dieses interne Taktieren wollte ich einfach nicht.“ Gerüchte gibt es auch, wonach er mit Noch-Chefin Maria Vassilakou - sie hat bis dato noch nicht kundgetan, ob sie noch einmal antritt - ausgedealt habe, als enger Vertrauter ins Rennen gehen zu dürfen, wenn sie selbst dafür bis zum Ende der Legislaturperiode Stadträtin und Vizebürgermeisterin bleiben könne. „Ich brauche keine Deals und keine Absprachen, ich habe auch niemanden um Erlaubnis gefragt“, kontert Kraus.

Ob es vorzeitig zu einer Ämterübergabe kommen soll, darüber sollten die Grünen später gemeinsam entscheiden - und zwar im Hinblick darauf, wie man bei der Gemeinderatswahl am besten Zugewinne einfahren könne. Seit Sonntag spüre er jedenfalls viel Zuspruch „aus allen Ecken“ der Partei. Planungssprecher Christoph Chorherr, ein Vassilakou-Intimus, hatte sich kürzlich schon als Unterstützer deklariert. Die Frage, wer an bekannten Köpfen noch im Team sei, wollte Kraus nicht beantworten. Da könne jeder für sich selber sprechen, wenn er das wolle.

Ein eigenes Budget für den internen Wahlkampf gibt es jedenfalls nicht: „Für die Kampagne habe ich privat ein bisschen was auf die Seite gelegt, aber eher, um ein paar Leute auf Bier und Pizza einzuladen. Das Bewerbungsvideo hat mich z.B. zwei Einladungen an Getränken gekostet.“ Viele Leute würden aus Leidenschaft und Engagement mithelfen: „Es läuft eher nach dem Motto: Die anderen haben vielleicht die fetten Budgets, aber wir haben die leiwanden kreativen Menschen.“

(Das Interview führte Thomas Rieder/APA)

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