Brexit-Minister sieht noch Chance für Abkommen mit der EU bis Oktober

Brüssel (APA/dpa/Reuters) - In zunehmender Sorge vor einem ungeregelten Brexit versuchen Großbritannien und die EU, ihre festgefahrenen Verh...

Brüssel (APA/dpa/Reuters) - In zunehmender Sorge vor einem ungeregelten Brexit versuchen Großbritannien und die EU, ihre festgefahrenen Verhandlungen über einen Austrittsvertrag wieder flott zu bekommen. Mit Ehrgeiz, Flexibilität und Pragmatismus sei eine Einigung bis Oktober möglich, sagte der britische Chefunterhändler Dominic Raab am Dienstag nach einem Treffen mit seinem EU-Kollegen Michel Barnier.

Beide sprachen allerdings auch noch von großen Differenzen. Ab jetzt werde nicht mehr in Etappen, sondern ständig durchverhandelt, sagten Raab und Barnier. Auch wollen beide regelmäßig selbst mitmischen, schon nächste Woche reist Raab erneut nach Brüssel. Barnier betonte ebenfalls, eine Einigung sei möglich - sofern die Grundprinzipien der EU gewahrt bleiben. Er zeigte sich nicht ganz so optimistisch, dass ein Vertrag wie geplant bis Oktober stehen wird. Nötig sei dies aber sicher „vor Ende des Jahres“, damit noch Zeit für die Ratifizierung bleibt.

Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist für März 2019 angekündigt. Der anvisierte Vertrag soll unter anderem eine milliardenschwere Schlussrechnung für Großbritannien und die Rechte von EU-Bürgern auf der Insel sowie von Briten auf dem Kontinent regeln. Ziel ist zudem eine Übergangsphase bis Ende 2020, in der sich kaum etwas ändert. Darüber hinaus sollen Eckpunkte für eine künftige Partnerschaft vereinbart werden.

Knackpunkt ist seit Monaten die Frage, wie Kontrollen an der künftigen EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland zu vermeiden sind. Beide Seiten wollen Kontrollen verhindern, aus Furcht vor der Rückkehr politischer Spannungen auf der irischen Insel. London lehnt jedoch EU-Vorschläge zur Umsetzung ab - und umgekehrt. Barnier forderte eine „Entdramatisierung“ bei dem Thema.

In den vergangenen Wochen hatten sich Warnungen vor einem Brexit ohne Vertrag und pessimistische Äußerungen gehäuft. Bei einem Scheitern der Gespräche wären alle bisherigen Absprachen hinfällig, zu befürchten wären ein chaotischer Übergang und schwere Turbulenzen für die Wirtschaft.

So warnten britische Krankenhäuser am Dienstag, dass bei einem Brexit ohne Abkommen die Medikamente knapp werden könnten. Dann könnte die „gesamte Lieferkette von Pharmazeutika“ betroffen sein, heißt es in einem Schreiben der Trägergesellschaften britischer Krankenhäuser und Rettungsdienste an den nationalen Gesundheitsdienst NHS.

Brexit-Minister Raab will am Donnerstag erste Pläne der Regierung für den Fall eines Scheiterns der Gespräche vorstellen. Die Zeitung „Daily Telegraph“ hatte im Voraus berichtet, nach Vorstellungen der britischen Regierung dürften Einwanderer aus EU-Staaten auch bei einem Brexit ohne Abkommen in Großbritannien bleiben. Die 3,8 Millionen Migranten behielten demnach auch Zugang zum Gesundheitsdienst NHS und zu staatlicher Unterstützung - selbst wenn Briten in der EU nicht vergleichbare Rechte zugesichert bekämen.

Großbritannien verlässt nach derzeitigem Stand die EU am 29. März 2019. Ob es überhaupt zu einer Einigung der EU mit Großbritannien kommt oder es einen ungeregelten beziehungsweise „harten“ Brexit gibt, ist offen. Nach bisheriger Planung soll auf dem EU-Gipfel am 18. und 19. Oktober über den Brexit-Vertrag entschieden werden. Auch wegen des Parteitags der zum Brexit tief zerstrittenen Konservativen Partei von Premierministerin May vom 30. September bis 3. Oktober gilt eine Einigung bis Mitte Oktober als fraglich. Ein Abschluss im November gilt als die letzte Möglichkeit.

Irland hat sich wegen der schleppenden Verhandlungen grundsätzlich zu einem Zeitaufschub bereit erklärt. Laut Artikel 50 der EU-Verträge beträgt die Frist zwei Jahre, in denen ein Vertrag über die Bedingungen des Austritts eines Landes festgelegt werden können. Sie kann nur verlängert werden, wenn im Europäischen Rat alle 27 verbleibenden EU-Staaten und Großbritannien dem zustimmen.