Innsbruck-Land

Wipptaler macht keine Kunst für zarte Gemüter

Der künstlerische Tausendsassa: Anton Amort flext nicht nur seine Skulpturen in Form, er „zeichnet“ mit dem Winkelschleifer auch Bilder (siehe Foto im Artikel).
© Foto TT / Rudy De Moor

Wenn Anton Amort „malt“, sprühen die Funken. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Der Wipptaler erschafft seine Gemälde und Skulpturen nämlich mit dem Winkelschleifer.

Von Judith Sam

Matrei am Brenner –Diese Kunst ist nichts für Zimperliche: Anton Amort malt gern­e Bergkulissen – allerdings nicht mit Pinsel oder Stift, sondern mit der Flex. Dem Matreie­r sprühen die Funken um die Ohren, während er mit dem Winkelschleifer mal von oben, mal von unten über ein Edelstahl-Blech knirscht. Jetzt nur nicht stolpern. Ein Sturz mit dem laut röhrenden Gerät wäre fatal. Doch keine Sorge, der hauptberufliche Künstler hat genügend Routine: Schon nach kurzer Zeit kann man das Relief der Serles erahnen. „Diese Schleifbilder sind nur eine Facette meiner Kunst“, plaudert der Schlossermeister und deutet auf sein Atelier.

Es wäre wohl einfacher aufzuzählen, was der 56-Jährige nicht macht. Er dichtet nicht. Ansonsten findet man so ziemlich jede Kunstform in seiner Werkstatt: Hinter einem Feuerlöscher liegt ein geschliffener Granit, der in eine meterhohe Skulptur integriert werden soll. Die Wände des Raums säumen Amorts Aktskizzen, Ölgemälde, Acrylbilder und Fotografien. Auf den Schränken türmen sich Modelle von Holz-Plastiken, Glas-Mosaiken und metallischen Einzelteilen, die der zweifache Vater beizeiten zu einer Kollage zusammensetzen wird.

Mit dem Winkelschleifer gezeichnet.
© Foto TT / Rudy De Moor

Damit nicht genug: Im angrenzenden Skulpturengarten thront eine zweieinhalb Meter große Kugel, die auf den ersten Blick wirkt wie eine wirre Ansammlung verschweißter Aluminiumstangen. Entfernt man sich ein paar Meter davon, erkennt man das Konzept dahinter: „Daran arbeite ich derzeit. Das wird das ,Kugelrund‘ für den Gerasdorfer Kreisverkehr. Die fünf eingewobenen Edelstahl-Scheiben repräsentieren die Verbundenheit der Ortsteile.“ Nachts werden LEDs das Gebilde, in dem 300 Meter an Rohren verarbeitet sind, in Szene setzen.

Seit eineinhalb Monaten arbeitet der ausgebildete Kunstschmied, der nebenbei Kurse für verschiedene Kunstrichtungen absolviert hat, an der Kugel: „Große Skulpturen, die bis zu 20.000 Euro kosten, müssen gut geplant sein. Nicht zuletzt, weil ich alleine daran arbeite und sich ein bis zu 400 Kilo schweres Werk kaum bewegen lässt.“ Meist müsse sogar ein Kran anrücken, um seine Skulpturen zu transportieren. Oder Amorts Freunde packen an. Die Künstler unter ihnen teilen oft ein Schicksal: „Es wird immer schwieriger, ohne ,richtigen‘ Job nebenher zu überleben. Doch diese Arbeit ist mein Traum, den ich immer wieder wählen würde.“

Manche seiner Werke sind meterhoch – wie das „Kugelrund“ und die Edelstahlskulptur in Steinach am Brenner (siehe Bild unten).
© Foto TT / Rudy De Moor

Trotz aller Widrigkeiten: „Wegen Splittern, die beim Schleifen abspritzen und sich in meine Augen brennen, war ich mehrfach in der Klinik. Zuletzt ist sogar die Flex-Scheibe zersprungen und ein Splitter davon in meinen Oberschenkel eingedrungen.“ Ein echter Künstler lässt sich davon nicht beirren: „Im Gegenteil. Wenn ich nicht arbeiten kann, denke ich ständig über neue Werke nach.“ Die Ideen dazu kommen Amort abends im Bett: „Darum liegt dort einer meiner Skizzenblöcke, damit ich sofort alles eintragen kann.“

Diese Blöcke ziehen sich wie ein roter Faden durch sein kreatives Reich. Mal findet man darin nur grobe Entwürfe, mal sind sie detailreich und ergänzt mit komplexen Statik-Berechnungen. Sichtlich stolz deutet Amort auf eine der Skizzen: „Diese Bronze-Skulptur werde ich heute Abend dem französischen Schauspieler Gérard Depardieu überreichen. Er ist Schirmherr des ,St. Antoner Kulinarik & Kunst Festivals‘.“

Auf dem Entwurf sieht man eine Art Pflanze aus Bronze, die sich um einen Granitblock rankt: „Die Vorgaben, was ich anfertigen soll, sind meist vag­e. Meiner Kreativität bleibt also genug Raum, was Material, Maserung und Lichtspiel anbelangt.“ Wer sich davon überzeugen will, kann Amorts Werke in einigen Tiroler Orten bewundern: etwa im Kreisverkehr bei McDonald’s in Reutte, beim Annaheim in Mühlbachl und bei der Neuen Heimat in Flirsch. Oder man besucht ihn bei seiner Galerieeröffnung in Matrei am Brenner, die für den Herbst geplant ist.

Ob Brunnen, Kugel oder Glasmosaik – Amorts Werke haben meist eines gemeinsam: Sie sind meterhoch. Doch er hat auch eine Leidenschaft für das Kleine: „Zwischendurch nehme ich mir Zeit, um meiner Frau eine Mini-Skulptur zu kreieren. So kann ich ihr auf individuelle Art zeigen, dass ich sie liebe.“ Wer hätte gedacht, dass der Künstler, der seine Werke auf so brachiale Art herstellt, eine derart romantische Seite hat?

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