Prozess in Leoben: Obersteirer tötete Ehefrau „aus Liebe“

Leoben/Mariazell (APA) - Ein Obersteirer hat sich am Mittwoch im Landesgericht Leoben wegen des Verdachts des Mordes an seiner Ehefrau veran...

Leoben/Mariazell (APA) - Ein Obersteirer hat sich am Mittwoch im Landesgericht Leoben wegen des Verdachts des Mordes an seiner Ehefrau verantworten müssen. Der 68-Jährige gestand, die pflegebedürftige 66-Jährige im vergangenen März mit einem Polster erstickt zu haben. Während die Staatsanwaltschaft Mord vorwirft, sagte der Angeklagte, er habe sie „aus Liebe getötet“. Ein Urteil wird am Nachmittag erwartet.

Der unbescholtene Pensionist hat seine Frau in der Nacht auf den 7. März im Ehebett in der gemeinsamen Wohnung in Mariazell getötet. „Er hat so lange auf das Gesicht gedrückt, bis sie keine Luft mehr bekam und tot war“, schilderte die Staatsanwältin im Eröffnungsplädoyer. Die entscheidende Frage sei nicht, ob er es getan hat, sondern welches Motiv er hatte, fuhr die Anklägerin fort. Sie führte finanzielle Probleme ins Treffen, die das mögliche Motiv gewesen sein könnten. Für Tötung auf Verlangen sind bis zu fünf Jahre Haft als Strafe vorgesehen, bei Mord dagegen bis zu 20 Jahre. „Aus rechtlicher Sicht war es keine Tötung auf Verlangen“, schloss die Staatsanwältin.

Verteidigerin Karin Prutsch sagte: „Ja, er war es.“ Sie schilderte den Geschworenen 34 Jahre glücklicher Ehe zwischen „Erich und Leni“: Ihr Mandant habe seinen „Lebensmenschen“ gefunden gehabt. Erst in der Pension sei es wegen einer Bürgschaft der Frau zu finanziellen Problemen gekommen. 2014 stürzte sie und erlitt dabei Verletzungen, die sich auf die folgenden Jahre massiv ausgewirkt hätten. Der Angeklagte unterstrich die Angaben seiner Verteidigerin: „Ich bin schuldig.“ Er betonte, dass Auslöser für die Tötung der Unfall 2014 war und nicht die finanziellen Sorgen: „Mit denen wären wir schon zurecht gekommen.“

Der Obersteirer beschrieb teils unter Tränen und in bedrückender Atmosphäre, wie er sich nach dem Sturz um seine „Leni“ gekümmert hat: „Sie war ein tapferer Mensch, aber gleichzeitig wehleidig. Sie hat eine Angst entwickelt, nicht mehr aus einer Narkose aufzuwachen.“. Er verzeihe sich bis heute nicht, dass er kurz nach ihrem Sturz nicht sofort die Rettung gerufen hatte. Damals hatte sie einen Jochbeinbruch erlitten, ihre Zahnprothese habe seither nicht mehr gepasst, habe Schmerzen verursacht. „Die Lebensqualität hat sich sukzessive geändert, es hat sich alles geändert. Sie hat eine eigene Sicht der Dinge entwickelt, war depressiv. Wir sind nur mehr durch das Leben geschlittert, die Jahre sind vergangen, es ging ständig bergab.“

Bis auf die Nichte habe sich die Familie und auch die Nachbarschaft abgewendet - der Angeklagte sprach von Ausgrenzung, fast schon Diskriminierung. Seine Frau habe die letzten Jahre stets über Schmerzen geklagt, aber die Ärzte hätten nichts gefunden. Sie habe seit Weihnachten 2017 nichts Festes mehr essen können und nahm massiv ab. Im März wog sie nur noch knapp über 30 Kilogramm. Von einer Psychotherapie sei er enttäuscht gewesen: „Das war gar nichts. Da war eine lange Schlange. Nach zehn Minuten kam sie wieder von der Therapeutin heraus. Sie bekam nur Tabletten.“ Die halfen nur wenig.

Aufgrund der Umstände hätten die beiden über den gemeinsamen Tod gesprochen. Als dann die Nichte den Amtsarzt bestellt hatte und dieser sich für den 7. oder 8. März angekündigt hatte, wurde es für seine Frau unerträglich: „Es war eine Katastrophe.“ Sie habe nicht zwangsernährt werden wollen und sie wussten, dass der Arzt kommt. „Sie sagte, sie schafft das nicht.“ Als sie in der Nacht auf den 7. März schlief, habe er die „spontane Entscheidung“ getroffen: „Von einer Sekunde auf die andere.“ Er drückte ihr den Polster auf das Gesicht, bis sie tot war. Als er den Hergang schilderte, brach er in Tränen aus. Sie habe sich praktisch nicht gewehrt, nur etwas gezappelt und geröchelt.

Seine Frau habe selbst davon gesprochen, dass sie sich lieber umbringe, als mit dem Arzt mitzugehen. Richterin Barbara Grundbichler fragte den Angeklagten, ob sie das tatsächlich getan hätte. „Ich hätte es ihr zugetraut“, antwortete der 68-Jährige und meinte weiter: „Aber ohne mich hätte sie es nicht getan.“ Der Plan sei gewesen, gemeinsam „ins Jenseits“ zu gehen. Die Richterin merkte an: „Nun sind sie aber allein.“ „Ja, aber sie ist da drin“, sagte der Beschuldigte und hielt seine Hand auf die rechte Brust an die Stelle seines Herzens.

Nachdem er sie getötet hatte, wollte er sich selbst wie geplant auch das Leben nehmen. Er richtete Rasierklingen und eine Decke auf dem Boden, doch dann konnte er es nicht: „Vielleicht war es Feigheit.“ Er trank danach zügig eine halbe Flasche Whisky und war davon so betrunken, dass er einen Filmriss bekam. Er wachte erst später am Boden liegend auf, war offenbar gestürzt. Er rief die Nichte an und die wiederum alarmierte die Einsatzkräfte.

Am Bett auf der toten Frau fanden die Ermittler noch ein Hochzeitsfoto der beiden und eine liebevolle Nachricht, die die Frau ihm vor Jahren einmal geschrieben hatte. Er hatte beides nach ihrem Tod hingelegt. Richterin Grundbichler fragte, ob er der Meinung ist, dass er sie erlöst habe. „Ja, sicher. Sie hatte sich aufgegeben.“ Er habe ihrem Wunsch entsprochen, damit ihr Leiden aufhört. Sie habe nicht mehr weiterleben wollen: „Sie sagte, es wäre schön, wenn ich es in die Hand nehmen würde, dass sie aus dem Leben scheiden kann.“ Den Wunsch nach Sterbehilfe habe sie zwar nicht direkt ausgesprochen, aber „ich habe es in ihren Augen gesehen, da war diese Hilflosigkeit“.

Noch am Vormittag wurde das Video von der Tatrekonstruktion den Geschworenen gezeigt. Auf die Befragung der Nichte wurde verzichtet. Noch am Nachmittag dürften die Geschworenen ihr Urteil fällen.