Innsbruck-Land

„Ein guter Winter kann die Welt nicht retten“

Seit einigen Tagen wird der Gletscher wieder „ausgepackt“, bis die zehn Hektar Vlies abgetragen sind, dauert es einige Wochen.
© Daum

Am Stubaier Gletscher ist die Klimaveränderung sehr deutlich zu sehen, die Schneeschmelze ist heuer extrem – trotz des strengen Winters.

Von Denise Daum

Neustift –Die Gletscher sind so etwas wie der Spiegel der Klima-Seele. Der Anblick, der sich den Bergsteigern und Ausflüglern derzeit bietet, wenn sie die Eisgratbahn am Stubaier Gletscher auf knapp 3000 Metern verlassen, ist im ersten Moment – abseits der beeindruckenden Berggipfel – erschreckend. „Da ist aber nicht mehr viel übrig vom ewigen Eis“, stößt ein Deutscher aus. Ein Einheimischer versichert: „So schiach hab i in Gletscher no nie gsegn.“

Glaziologin Andrea Fischer kennt das Gletschergebiet im hinteren Stubaital genau und hat eine Erklärung dafür, warum der Gletscher so „schiach“ ausschaut. „Seit der Jahrtausendwende geht der Gletscher kontinuierlich zurück, in extrem warmen Sommern wie heuer sogar um rund zwei Meter. Der dunkle, fast schwarze Eindruck entsteht aufgrund des Schutts, der sich unter sowie im Eis befindet und durch die extreme Schmelze sichtbar wird.“ Den Rückgang im Sommer kann auch ein vorangehender kalter und schneereicher Winter nicht aufhalten. „Ein guter Winter kann die Welt nicht retten.“

Dass sich das Klima in der langfristigen Betrachtung immer wieder massiv verändert, zeigt der Fund von Baumstämmen beim Bunten Moor nahe der auf 2300 Metern befindlichen Mittelstation. „Daraus können wir schließen, dass 8000 vor Christus die Baumgrenze deutlich weiter oben war als heute. In dem Bereich war ein richtiger Wald, Einzelbäume standen demnach noch weiter oben“, erklärt Andrea Fischer. Sie geht davon aus, dass der Gletscher schon einmal abgeschmolzen war.

Der Eisjochferner auf über 3000 Metern ist so gut wie schneefrei.
© Daum

Reinhard Klier, Vorstandsvorsitzender der Stubaier Gletscherbahn, erklärt, dass es ein weit verbreiteter Trugschluss sei, dass die Skigebiete für den Wandel der Gletscher verantwortlich seien. „Wir sind nicht für den Rückgang verantwortlich, sondern die Leidtragenden.“ Der Gletscher sei seit einigen Jahren jeden Sommer schneefrei – „die Frage ist nur, ob Anfang oder Ende August“. Rund einen Meter verliere der Gletscher durchschnittlich pro Jahr an Mächtigkeit. Um die Auswirkungen auf das Skigebiet einzudämmen, wird schon seit vielen Jahren auf kritischen Bereichen wie bei den Liftstützen oder beim Übergang von Eis auf Fels Vlies angebracht. Rund zehn Hektar werden von Juni bis September verpackt. „Lokal ist das sehr effektiv, die Schneeschmelze wird um 70 Prozent verlangsamt. Auf die Gesamtmasse des Gletschers hat das Einpacken natürlich nur eine geringfügige Wirkung“, erklärt Klier.

Ein Gutes haben die hohen Temperaturen dann aber doch auch für die Stubaier Gletscherbahn: Die Besucherzahlen schnellen während so einer Hitzeperiode, wie sie Tirol heuer erlebt (hat), nach oben. „Wir hatten heuer einen Rekordtag mit 2400 Gästen“, berichtet der Gletscher-Chef. Insgesamt verzeichnete man in den vergangenen fünf Jahren bei den Sommereintritten eine Zunahme von 30 Prozent.

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