„Wir brauchen mehr Vieh auf den Almen“
Die Zahl der Almen geht zurück. Die Folgen sind besorgniserregend, der Tiroler Almwirtschaftsverein will u. a. neue Ideen für die Almmilch.
Innsbruck –Wer mit offenen Augen unterwegs ist, kann es sehen: In einigen Tiroler Bezirken grasen nicht mehr so viele Milchkühe auf der Alm wie früher. So ging im Bezirk Reutte die Zahl der Kühe von 2000 bis 2017 um 30 Prozent zurück. „Auch in Imst und Innsbruck-Land haben wir Rückgänge“, sagt Josef Lanzinger, Obmann des Tiroler Almwirtschaftsvereins.
Gründe dafür gibt es mehrere: So geht u. a. die Zahl der rinderhaltenden Betriebe zurück. Auch ist die Bestoßung einer Milchalm mit großem Aufwand verbunden – vor allem finanziell. „Da zahlen manche Bauern sogar drauf“, weiß Lanzinger. Von 2000 bis 2017 war daher bei den Almen in Tirol ein Rückgang um 5,5 Prozent zu verzeichnen. Ein Rückgang, der weh tut, aber bislang nicht so schlimm ausgefallen ist wie befürchtet. „Viele Landwirte halten offensichtlich immer noch die Tradition aufrecht“, sagt Lanzinger.
Noch einmal zurück in den Bezirk Reutte: Dort drohen Almen sogar zuzuwachsen. Allerdings nicht nur wegen fehlender grasender Tiere, sondern auch wegen der Klimaerwärmung. „In Tirol gehen einige Hektar Weidefläche pro Jahr verloren“, weiß Siegfried Steinberger von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft.
Steinberger ist viel in Tirol unterwegs, „im Kühtai und im Kaunertal sind Almgebiete teilweise komplett zugewachsen“, sagt er. Durch die gestiegenen Temperaturen würde es nämlich früher und auch besser wachsen.
Die Kehrseite der Medaille: Werden Almen nicht bewirtschaftet, wachsen sie u. a. mit Borstgras, Blaubeeren und Almrosen zu. „Langes, dürres Borstgras verhindert das Eindringen des Regenwassers in den Boden, das kann die Hochwassergefahr steigern. Und im Winter wirkt es wie eine Rutschbahn – sprich, die Lawinengefahr erhöht sich“, sagt Steinberger. Große, den Boden sichernde Bäume würden jedoch zum Aufwachsen Jahrzehnte brauchen.
Sein Fazit: „Eigentlich bräuchten wir künftig mehr Tiere auf den Almen.“ Ins selbe Horn bläst Lanzinger: „Und es braucht alle Tierarten.“
Für den Obmann des Tiroler Almwirtschaftsvereins lautet daher ein Ziel, die Zahl der Milchalmen zu erhalten: „Denn eine Kuh frisst nun einmal mehr Gras als ein Schaf oder eine Ziege.“ Dementsprechend müssten die Bauern mehr motiviert werden, an dieser Tradition festzuhalten – auch über eine gerechte Entlohnung ihrer Arbeit.
Eine Möglichkeit: Für Almmilch sollte nicht nur ein ein wenig höherer Preis bezahlt, sondern auch die Produktpalette erweitert werden. „Derzeit wird die Almmilch nämlich nur zu einem geringen Teil getrennt verarbeitet und mit der im Tal produzierten Milch zusammengemischt.“
Für Lanzinger steht aber fest: „Wenn dem Konsumenten bewusst ist, welcher Aufwand dahintersteckt und er die weltbeste Milch bekommt, ist er auch bereit, ein wenig mehr zu zahlen.“