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Drohende Abschiebung: Tiroler Chefs kämpfen für Lehrlinge

Ibrahim Mustafa hat schon als Kind mit seinem Vater gekocht, jetzt macht er die Kochlehre im Stubaierhof in Fulpmes.
© Strobl

Die Zeit rennt, die Abschiebung droht. Tiroler Firmenchefs gehen auf die Barrikaden. Junge Asylwerber sollen ihre Lehre abschließen können.

Von Sabine Strobl

Innsbruck — Zuerst wollten Tiroler Unternehmer einen Beitrag zur Integration von jungen Flüchtlingen leisten. Jetzt kämpfen sie für die Lehrlinge, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben. In den vergangenen Monaten hat die TT von mehreren jungen Asylwerbern, denen die Abschiebung droht, berichtet und jetzt nachgefragt.

„Wir müssen abwarten und Zeit gewinnen", sagt Firmenchef Erwin Bouvier in Zams. Ein junger Afghane absolviert gerade die Lehre zum Installations- und Gebäudetechniker. „Er hat neben den Kursen noch privat Deutsch gelernt. Es gibt wenige so fleißige Lehrlinge und in der Firma ist er voll integriert." Nach einem negativen Bescheid läuft jetzt das Berufungsverfahren. „Wir verstehen das nicht. Zuerst sollen Betriebe die Integration unterstützen, dann kriegt man eins auf den Deckel", ärgert sich der Unternehmer.

Ein paar Kilometer weiter steigt Hotelier Lukas Heymich auf die Barrikaden, bei dem zwei afghanische Flüchtlinge eine Lehre machen. Der 23-jährige Murtaza Rizaiy lernt gerade auf das B2-Zertifikat und organisiert in Serfaus Fußballspiele. Doch der junge Mann steht vor der Abschiebung. „An ihm zehrt die Angst der Ungewissheit", sagt Heymich. Asylwerber mitten aus der Ausbildung zu reißen, findet der Hotelier „erniedrigend. Man nimmt den jungen Menschen die Zukunft und den Mut. Sie sind bereit, ihren Job mit Hingabe zu machen." Der menschliche Schaden sei groß. Gleichzeitig herrsche in Tirol ein Fachkräftemangel. Auch bei der Seilbahn Komperdell ist ein Kochlehrling mit der Berufung des negativen Bescheids im „Ungewissen. Das ist sehr belastend für ihn. Zumal er in Serfaus eine neue Heimat gefunden hat", erklärt Projektmanager Christof Schalber.

Glück hat der junge Syrer Ibrahim Mustafa, der im Stubaierhof in Fulpmes seine Kochlehre macht. Bis 2021 kann er bleiben, erzählt er der TT. „Ich habe bereits nach drei Monaten im Heim gearbeitet. Ich lebe seit sieben Jahren alleine, habe aber viele Kollegen und gehe ins Fitnessstudio, denn in der Küche braucht man Kraft."

Rund 900 Asylwerber absolvieren derzeit in Österreich eine Lehre in einem Mangelberuf. Ein Drittel könnte vor Abschluss abgeschoben werden. In Tirol liegen laut AMS aktuell 152 Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber in einem Mangellehrberuf vor. 102 im Tourismus, 39 im Gewerbe/Handwerk und 11 im Dienstleistungsbereich. Die Liste der Mangelberufe ist übrigens lang. 38 Berufe werden angeführt, vom Bürokaufmann über Dachdecker und Elektriker zum Koch.

Es wird händeringend nach Lösungen gesucht. Zahlreiche Tiroler Betriebe, unabhängig von politischer Couleur, unterstützen die Initiative „Ausbildung statt Abschiebung". Als Lösungsschritt wird auch das Modell „3plus2" gesehen, das in Deutschland derzeit 7000 Lehrlinge einbezieht. Unterdessen waren diese Woche ÖVP-Nationalräte zu Gast bei Betrieben in Tirol. Es brauche eine politische Lösung, ist sich Hotelier und Vizebürgermeister von Fulpmes Hans Deutschmann mit anderen Unternehmern einig. Die Initiativen gehen weiter. Die WK Kufstein etwa arbeitet an einem Projekt, das junge Asylwerber auf eine Lehre in Mangelberufen vorbereitet.

Mahdi Begzad ist derzeit Lehrling bei der Seilbahn Komperdell in Serfaus und macht dort eine Ausbildung zum Koch. Das Thema Asylwerber in Lehre betrifft laut Experten hauptsächlich Tourismus- und Gastronomiebetriebe.
© Komperdell
Rasuli Khadem lernt bei Luzian Bouvier in Zams und wird Gebäudetechniker.
© Bouvier

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