39. Jazzfestival Saalfelden: Stetes Wandeln zwischen den Welten
Saalfelden (APA) - „Alles war schon mal da.“ Was Rapperin Yasmo als Teil von Ulrich Drechslers Projekt „Liminal Zone“ ganz nebenbei und zwis...
Saalfelden (APA) - „Alles war schon mal da.“ Was Rapperin Yasmo als Teil von Ulrich Drechslers Projekt „Liminal Zone“ ganz nebenbei und zwischendurch beim Jazzfestival Saalfelden mitteilte, ist natürlich keine Neuigkeit. Die Suche nach unerkundeten Plätzen bleibt aber dennoch ein gern beackertes Feld der Avantgarde. Bei der 39. Ausgabe des renommierten Festivals wurde so vor allem zwischen den Welten gewandelt.
Denn nicht nur die Eröffnung der Hauptbühne im Congress, am gestrigen Freitagabend Drechsler und seinen Mitstreitern vorbehalten, gab sich als Zusammenführung von Stilen und Artikulationsweisen, die sonst nicht zwingend nebeneinanderstehen. Wobei: Die Vorlieben Drechslers für Electro und Klassik sind ohnedies bekannt. Nun gilt es für den in Wien lebenden Deutschen, mit seinem neuen Vorhaben alles unter einen Hut zu bringen. Dass das ein „Work in progress“ ist, wie er im APA-Interview betonte, zeigte sich auch bei der Livepremiere.
Denn obgleich er mit Judith Ferstl am Bass sowie Judith Schwarz am Schlagzeug ein kongeniales Duo für das rhythmische Fundament hatte sowie Simon Raab an den diversen Tasteninstrumenten einen wunderbar pulsierenden Klangteppich hervorzauberte, war das Genrehopping teils noch etwas ungelenk. Ziemlich nahe an einer klassischen Songstruktur orientiert, durften so neben Yasmo auch Sängerin und Songwriterin Clara Luzia sowie Sopranistin Özlem Bulut ihre Stimmen erheben - und klangen dabei doch eher wie zufällig zusammen gewürfelt, als dass sich zwingende Beziehungen erschlossen.
Spaß machte die „Liminal Zone“ dennoch, was nicht nur am immer wieder aufblitzenden, kompositorischen Feinheiten Drechslers lag. Auch die visuelle Umsetzung mit aufwendigem 3D-Mapping, bei dem sich Formen und Farben lustvoll übereinandertürmten, war eine ansprechende Weiterführung dieser umfangreichen Narration, die so viel will, ihren genauen Pfad aber augenscheinlich noch nicht entdeckt hat. Aber wie hat es Drechsler vor dem Abschlusssong so treffend formuliert: „This is only the beginning.“ Immerhin ist das Projekt auf ein ganzes Jahr angelegt, mit unzähligen Konzerten vor allem in Wien, bevor als Höhepunkt eine Veröffentlichung ansteht.
Bedeutend früher gibt es eine solche von Schmieds Puls zu feiern: Das Trio um Sängerin und Gitarristin Mira Lu Kovacs bringt in wenigen Wochen „Manic Acid Love“ auf den Markt und hat sein drittes Werk im Rahmen der Schiene Nexus+ erstmals erklingen lassen. Anders, allen voran angriffig und selbstbewusst, klangen die neuen Stücke, die sich sukzessive von der gleichermaßen von Jazz und Folk inspirierten Basis entfernen. Kovacs hat sich als Komponistin nochmals weiterentwickelt, scheut weder vor lauten Momenten noch brüchiger Melancholie zurück. Als in „Superior (Fuck You)“ zu lauten Grungegitarren der Beititel beinahe mit Nonchalance als melodiöses Wunderwerk in den Raum gestellt wurde, war das schon ziemlich zwingend.
Ohnehin könne sie nicht verstehen, wie man derzeit nicht wütend sein kann, fragte Kovacs beinahe lachend das zahlreich versammelte Publikum. Gründe gibt es sicherlich viele, zum Glück kann man sich bei Schmieds Puls aber auch einfach fallen lassen, wie etwa „The Walk“ bewies. Ein Lied, in dem „nichts passiert“, schmunzelte die Musikerin, in bewährter Weise begleitet von Walter Singer (Bass) und Christian Grobauer (Schlagzeug). „Ist doch auch schön.“ Ja, wenn behutsam gesetzte Akkorde, fein gesponnene Melodien und ein doch immer wieder zupackender Gestus zusammenkommen, dann sind es auch hier Reibungen und Gegensätze, die reichlich Charme versprühen.
In jedem Fall liebenswert waren auch die drei Finnen von Virta. Die in erster Linie instrumental auftretende Formation, die ihre langen, weit in den Postrock reichenden Stücke ab und an mit textfreier vokaler Begleitung verfeinert, könnte vielen Jazzpuristen wohl zu weit vom eigentlich Kern der Sache entfernt sein. Allerdings machten Antti Hevosmaa (Trompete und Electronics), Heikki Selamo (Gitarre) und Erik Fräki (Drums) ihre Sache so gut und gingen mit so viel Tatendrang vor, dass man nur mitgerissen werden konnte. Mal anschmiegsam und weich, dann im nächsten Moment brachial und kraftvoll, wurde durchexerziert, was in diesem Rahmen möglich ist. Ein packender Groove hat eben noch nie geschadet.
Den vermisste man ein wenig beim nominell bekanntesten Künstlers des Abends, dem US-Gitarristen Marc Ribot: Er widmet sich aktuell den „Songs of Restistance“ (das entsprechend betitelte Album erscheint Mitte September), was sich live aber nicht unbedingt in politisch oder gar poetisch aufgeladenen Musikstücken ausdrückte, sondern in ganz klassischen Improvisationen entlang eng gesteckter Grenzen. Aufbegehren und Loblieder auf die Freiheit, das war zwar auch dabei - es blitzte aber eigentlich nur zwischendurch auf. Das Können darf Ribot und seiner Mannschaft natürlich nicht abgesprochen werden, thematisch gibt es aber wohl noch einiges herauszuholen.
Schließlich kann man sogar Liebeslieder so weit dehnen, dass sie wie eine Kampfansage wirken. Bewiesen hat das Theo Ceccaldi mit seinen Freaks zum Abschluss eines abwechslungsreichen, aber leider nicht immer überzeugenden Jazztages. Der Franzose hält offensichtlich wenig von herkömmlichen Konventionen, sondern bricht alles, was es zu brechen gibt. Zugutekam ihm dabei, dass besonders sein Schlagzeuger Etienne Ziemniak dermaßen herzhaft in die Felle drosch, sich ein ums andere Mal selbst überholte, dass es nur so eine Freude war. Alles darf, nichts muss, und bei Ceccaldi gibt es ohnehin nur den ungebremsten Drang nach vorne. Denn selbst wenn mal vieles davon schon mal gehört hat: Im Zusammenführen des scheinbar Unvereinbaren kommen dann doch immer wieder Perlen zum Vorschein.
(S E R V I C E - www.jazzsaalfelden.com)
(B I L D A V I S O – Pressebilder zu den Auftritten stehen unter https://www.jazzsaalfelden.com/de/service-info/presse/bilder zum Download bereit.)