Tränengas gegen die Istanbuler Samstagsmütter
Erstmals wurde eine Demonstration der Frauen mit Gewalt aufgelöst. Sie gehen seit 1995 für verschwundene Angehörige auf die Straße.
Istanbul –Die Istanbuler Polizei hat am Samstag gewaltsam eine Demonstration der so genannten „Samstagsmütter“ aufgelöst, die Aufklärung über ihre vor Jahrzehnten verschwundenen Angehörigen verlangen. Medienberichten zufolge wurden mindestens 47 Teilnehmerinnen vorübergehend festgenommen.
Die Beamten setzten Wasserwerfer und Tränengas gegen die Frauen ein, die sich zum 700. Mal zu ihrer wöchentlichen Protestkundgebung versammelt hatten. Der Anwalt Efkan Bolac teilte auf Twitter mit, sie seien nach einer Befragung wieder freigelassen worden.
Unter den Demonstrantinnen war auch die 82-jährige Emine Okac. Sie soll bereits 1997 unter ähnlichen Umständen festgenommen worden sein – zwei Jahre nach dem Verschwinden ihres Sohnes, der sich in Untersuchungshaft befand. Die Samstagsmütter wollen an das Schicksal ihrer Angehörigen erinnern, die in der Türkei in den 1980er- und 1990er-Jahren festgenommen wurden und seither verschwunden sind. 1984 begann im Südosten des Landes der bewaffnete Kampf der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gegen die türkische Regierung. Aktivisten werfen der Regierung vor, den Verbleib der Verschwundenen nie untersucht zu haben.
Seit 1995 gehen die türkischen Frauen regelmäßig friedlich auf die Straße. Zwischen 1999 und 2009 mussten sie ihre Demonstrationen aussetzen. Am Samstag griff die Polizei erstmals seit Jahren wieder ein – wegen angeblicher Verbindungen zur PKK. Zudem sei die Demo nicht angemeldet worden. Die Chefin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in der Türkei, Emma Sinclair-Webb, verurteilte die „brutale Behandlung von Familien, die Gerechtigkeit für Verbrechen des Staates fordern“, als „beschämend“. (TT, APA, AFP)