Papst bittet Missbrauchsopfer in Irland um Vergebung
Dublin/Vatikanstadt (APA/AFP/dpa) - Papst Franziskus hat um Vergebung für den sexuellen Missbrauch von Kindern in Irland durch katholische G...
Dublin/Vatikanstadt (APA/AFP/dpa) - Papst Franziskus hat um Vergebung für den sexuellen Missbrauch von Kindern in Irland durch katholische Geistliche gebeten. Bei einer Messe in Dublin bat er um Vergebung für eine lange Liste von „Verbrechen“ an „Überlebenden von Machtmissbrauch, Vertrauensmissbrauch und sexuellem Missbrauch“.
Zuvor hatte er bereits bei einem Besuch des Marienheiligtums in Knock „um Vergebung des Herrn für diese Sünden“ gebeten. Ausdrücklich nannte das Oberhaupt der katholischen Kirche bei der Messe im Dubliner Phoenix-Park auch „Verbrechen“, die in von Mönchen und Nonnen geleiteten Institutionen begangen worden seien. Vor Zehntausenden Gläubigen bat Franziskus um Vergebung dafür, dass Kinder ihren Müttern weggenommen worden seien, weil sie unverheiratet schwanger geworden waren. Im Zentrum von Dublin versammelten sich rund 5.000 Missbrauchsopfer und Unterstützer zu einer Gegenveranstaltung.
Bei seinem Besuch in Knock wurde Franziskus von 45.000 begeisterten Gläubigen empfangen, die vielfach weiß-gelbe Vatikan-Fahnen schwenkten.
In Irland wurden mutmaßlich über Jahrzehnte tausende Kinder durch katholische Priester sexuell missbraucht. Seit 2002 haben mehr als 14.500 Menschen Entschädigung beantragt. Die Missbrauchsaffären haben der einstmals mächtigen römisch-katholischen Kirche in Irland einen dramatischen Vertrauensverlust eingetragen.
Am Samstag traf der Papst in Dublin acht Missbrauchsopfer, an denen sich Mitglieder des Klerus, Mönche und Vertreter katholischer Einrichtungen vergangen hatten, wie Vatikan-Sprecher Greg Burke mitteilte. Unter den acht Teilnehmern der eineinhalbstündigen Begegnung war demnach ein Opfer des Priesters Tony Walsh. Dieser missbrauchte über einen Zeitraum von fast zwei Jahrzehnten Hunderte Kinder, bis er schließlich aus dem Priesterstand entlassen und inhaftiert wurde.
Die 71-jährige Marie Collins nahm ebenfalls an dem Gespräch mit dem Papst teil. Sie hatte das Kirchenoberhaupt vor seiner Irland-Reise zum entschiedenen Vorgehen gegen sexuelle Gewalt durch katholische Priester aufgefordert. „Jeder faule Apfel sollte entfernt werden und das sollte jetzt geschehen“, sagte Collins. Sie war nach eigenen Angaben im Alter von 13 Jahren wiederholt von einem Geistlichen während eines Krankenhausaufenthalts missbraucht worden. Bis zum vergangenen Jahr war sie Mitglied der päpstlichen Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen, verließ das Gremium aber nach eigenen Worten wegen „ständiger Rückschläge“ und Blockaden durch „einige Mitglieder der Kurie“.
Collins zeigte sich auch nach dem Treffen mit Franziskus enttäuscht. In einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur kritisierte sie, dass der Pontifex keine neuen Strukturen einführen wolle, um die systematische Vertuschung von Missbrauch in der Kirche aufzuarbeiten. „Ich bin enttäuscht über die Weigerung, mehr Rechenschaftsstruktur und eine robustere, unabhängigere Struktur einzuführen“, sagte Collins am Sonntag.
Unter den Iren, die den Papst trafen, war auch Paul Jude Redmond, dessen Mutter als eine von tausenden „gefallenen“, also bei der Geburt ihres Kindes unverheirateten Frauen in ein katholisches Heim gesteckt wurde. Redmond wurde seiner Mutter weggenommen und zur Adoption freigegeben, seine Geburtsurkunde gefälscht und seine Adoptiveltern wurden als seine wahren Eltern ausgegeben, wie die „Sunday Times“ berichtete.
Zu dem Gottesdienst im Phoenix Park am Sonntagnachmittag hatten die kirchlichen Organisatoren 500.000 Menschen erwartet. Starker Regen und Wind schreckten jedoch viele Besucher ab, wie Kathpress berichtete. Mit der Feier endete zugleich das neunte katholische Weltfamilientreffen, das seit Dienstag in der irischen Hauptstadt getagt hatte. Franziskus reiste am Samstag zu der Veranstaltung an. Im Mittelpunkt seiner Botschaften standen die Ermutigung zu einem christlichen Familienleben und die Bekundung von Scham über den jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch, Misshandlungen und Zwangsadoptionen. Während des 36-stündigen Aufenthalts bekam das Kirchenoberhaupt ungewöhnlich offene Worte von seinen politischen Gastgebern zu hören. Staatspräsident Michael Higgins hielt dem Papst das „ungeheure Leiden“ vor, das einige Mitglieder der katholischen Kirche verursacht hätten. Premierminister Leo Varadkar rief ihn auf, Gerechtigkeit und Wahrheit für die Opfer zu schaffen. Die Kirche müsse sich zudem der Realität einer liberalen Gesellschaft stellen. Higgins und Varadkar nahmen beide an der Abschlussmesse teil.
Die irischen Bischöfe lobte der Papst für deren Umgang mit dem Missbrauchsskandal. Die „Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit“, mit der sich die Kirche diesem schmerzhaften Kapitel stelle, könnten „Vorbild“ und ein „Aufruf für die gesamte Gesellschaft“ sein, sagte Franziskus laut Kathpress bei einer nicht öffentlichen Begegnung mit den Bischöfen am Ende seines Irland-Besuchs.
Der Vatikan-Botschafter in den USA zwischen 2011 und 2016, Erzbischof Carlo Maria Vigano, warf dem Papst unterdessen vor, die Vorwürfe gegen den bekannten US-Kardinal Theodore McCarrick ignoriert und Strafmaßnahmen gegen den Geistlichen aufgehoben zu haben. Dies sei geschehen, obwohl es gegen McCarrick Vorwürfe gab wegen „stark unmoralischen Verhaltens gegenüber Seminaristen und Priestern“. Die Sanktionen hatte Franziskus‘ Vorgänger, der deutsche Papst Benedikt XVI., verhängt.
Der 77-jährige, mittlerweile im Ruhestand befindliche Vigano erhob die Beschuldigungen in einem elfseitigen Schreiben, das mehrere katholische Publikationen in den USA am Samstag veröffentlichten. Vigano geht darin soweit, die Abdankung des Papstes zu fordern.