Aus für Asylwerber in Lehre: Kritik von Hilfsorganisationen
Künftig sollen Asylwerber keine Lehre mehr beginnen dürfen. Das war bislang in Mangelberufen erlaubt. Scharfe Kritik an der Maßnahme kommt von Caritas, SOS Mitmensch und anderen Hilfsorganisationen. Indes sollen Asylwerber, die bereits eine Lehre begonnen haben, diese auch beenden dürfen.
Wien — Die österreichische Bundesregierung will Asylwerbern wieder die Möglichkeit nehmen, eine Lehre zu machen. Die Entscheidung folgte auf eine Diskussion, Asylwerber nach erfolgreich absolvierter Lehre nicht abzuschieben. Besonders in Mangelberufen würden die hier ausgebildeten Arbeitskräfte gebraucht, so die zuvor geäußerte Forderung. Statt Asylwerbern mit Lehre einen Verbleib in Österreich zu ermöglichen, streicht die Regierung damit nun offenbar die Möglichkeit für Asylwerber, eine Lehre zu machen, vollständig.
Kritik daran kam am Montag von Hilfsorganisationen. Von einer „völligen Fehlentscheidung" sprach Caritas-Präsident Michael Landau am Montag in einer Aussendung. Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer zeigte sich in einer ersten Reaktion „enttäuscht". Scharfe Worte kamen auch von SOS Mitmensch und der asylkoordination.
Außenministerin Karin Kneissl verteidigte indes das von der türkis-blauen Regierung geplante Ende der Lehre für Asylwerber gegen Populismusvorwürfe. Kneissl appellierte stattdessen an die Wirtschaft, mehr für die Integration jener 8600 Asylberechtigten unter 25 auf Jobsuche zu tun, die bereits einen positiven Asylbescheid haben.
Caritas: Lehre auch ohne Bleiberecht sinnvoll
„Ich halte das für eine völlige Fehlentscheidung in menschlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht", meinte der Caritas-Präsident zu dem am Wochenende bekannt gewordenen Vorhaben von ÖVP und FPÖ. Etwas lernen zu können und einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen sei selbst dann wichtig, wenn Jugendliche nicht bleiben können. Landau: „Ich appelliere an die österreichische Bundesregierung, jetzt keine überhasteten Entscheidungen zu treffen."
Rotkreuz-Präsident Schöpfer bezeichnete es als „aus ökonomischer Sicht für unklug und falsch", den Erlass von 2012 zurückzunehmen, der die Lehrlingsausbildung für Asylwerber bis 25 Jahre in Mangelberufen erlaubt. Auch aus humanitärer Sicht sei dies entschieden abzulehnen. „Man sollte jungen Menschen eine Perspektive anbieten und ihnen eine Zukunftschance geben, anstatt sie zur Untätigkeit zu zwingen", so Schöpfer.
asylkoordination: Regierung fördert Desintegration
Auch die asylkoordination „verurteilte" den Plan der Regierung, den Lehrlingserlass außer Kraft zu setzen, „aufs Schärfste". Diese Maßnahme sei ein weiterer Schritt zur nachhaltigen Desintegration von jungen Flüchtlingen. „Sie werden so — auch nach Zuerkennung eines Schutzstatus - auf Niedriglohnsektoren festgenagelt, wo sie gezwungen werden, zu schlechten Bedingungen zu arbeiten und so unfreiwillig zu Lohndumping beitragen".
Auch SOS Mitmensch übte scharfe Kritik: „Eine solche Zugangsblockade würde Integration torpedieren und die Chancen junger Menschen vernichten." Wer den Zugang zur Lehre versperre, öffne „das Tor zu tiefer Leere". Es drohe „ein Rückfall in die integrationspolitische Steinzeit", meinte Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.
Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), der derzeit auch den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz innehat, hält das Vorhaben der Regierung generell für einen „falschen Ansatzpunkt". Das teilte Niessl am Rande einer Pressekonferenz am Montag mit.
Er selbst habe einen eigenen Vorschlag, den er auch für den besseren halte. „Nämlich, dass Asylwerber zunächst die deutsche Sprache lernen, dass sie auf der anderen Seite auch einen Pflichtschulabschluss machen müssen", so Niessl. Das dauere etwa 14 bis 16 Monate. „Und dann sollte entschieden werden, ob jemand asylberechtigt ist oder nicht asylberechtigt ist. Und das ist durchaus möglich. Ist er asylberechtigt, kann er dann nach 14 bis 16 Monaten mit der Lehre beginnen, ist er nicht asylberechtigt, dann eben nicht", erläuterte der Landeshauptmann.
Kneissl: Nur 800 Asylwerber in der Lehre
„Es ist uns sehr daran gelegen, aus der Flüchtlingskrise keine Integrationskrise werden zu lassen", sagte indes Österreichs Außenministerin Kneissl (FPÖ) beim Forum Alpbach bei einer Diskussionsrunde zum Thema Integration. Es gebe in Österreich über 30.000 arbeitslose Asylberechtigte. 8.700 davon seien in einem Alter, das zur Lehrlingsausbildung befähige. Demgegenüber stünden derzeit rund 800 Asylwerber, die eine Lehrausbildung machen.
„800, die als Asylwerber in einer Lehre sind, versus 8.700, die asylberechtigt sind, die sich bitte auf den Weg machen mögen, um eine Lehre zu beginnen." Kneissl wies auch darauf hin, dass die Lehrlingsentschädigung rund 300 Euro beträgt, während arbeitslose Asylberechtigte rund 850 Euro Mindestsicherung erhalten würden. Der Anreiz für Asylberechtigte, eine Lehrlingsausbildung zu machen, sei vor diesem Hintergrund „relativ gering".
Die derzeitige Abschiebepraxis bei Lehrlingen ist laut Kneissl unumgänglich. Bei Asylverfahren könne man Richtersprüche „nicht einfach hinwegwischen und sagen, die Entscheidung der Gerichte interessiert mich nicht, weil dann ist der Rechtsstaat auch infrage gestellt", betonte die Ministerin. Unternehmen würden schließlich auch nicht einfach auf einem Grundstück eine Produktionsstätte errichten, wo der Rechtsstatus strittig ist.
Betroffene dürfen Lehre abschließen
Asylwerber, die bereits eine Lehre begonnen haben, sollen diese indes fertig machen dürfen. Sogar jene, die aufgrund eines negativen Asylbescheids von einer Abschiebung bedroht sind, sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Ausbildung zu beenden. Das sehen die Pläne der Regierung vor. Der seit 2012 gültige Erlass, wonach Asylwerber bis 25 Jahre generell in Mangelberufen eine Lehre beginnen dürfen, wird aufgehoben.
„Jene Asylwerber, die jetzt schon eine Lehre machen, können diese fortsetzen, im Fall eines negativen Bescheids sind die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, ob er die Lehre fertig machen kann, bevor er das Land verlässt", heißt es in einer Punktation der Regierung, die der APA vorliegt. Nach Angaben der Regierung befinden sich derzeit knapp 1000 Asylwerber in Lehre.
Regierung will Asylberechtigten Jobs verschaffen
Gleichzeitig will Türkis-Blau Arbeitsmöglichkeiten für Asylberechtigte schaffen. Es würden sich nämlich 8.600 anerkannte Flüchtlinge unter 25 Jahren, darunter 1.300 Lehrstellensuchende, auf Jobsuche befinden, heißt es in dem Papier. Geplant sind „verstärkte und zielgerichtete Bewerbungen und Betreuung durch das AMS sowie Initiativen des Wirtschaftsressorts".
Zudem soll die Rot-Weiß-Rot-Karte „an den Bedürfnissen der heimischen Wirtschaft neu ausgerichtet" werden. Konkret soll diese Zuwanderungskarte für Lehren in Mangelberufen geöffnet werden. Man strebe eine „klare Trennung zwischen Asyl und Migration" an. (TT.com/APA)
Asylwerber in Lehre: Die aktuelle Regelung
Junge Asylwerber unter 25 dürfen derzeit eine Lehre in einem Mangelberuf machen. Geregelt wurde das mittels Erlass des Sozialministeriums an das AMS im Jahr 2012 unter Rot-Schwarz. Zunächst galt die Erlaubnis nur für Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr, 2013 wurde das auf 25 Jahre ausgeweitet.
Ziel war es, „jugendlichen Asylwerbern im öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interesse für die Dauer ihres Asylverfahrens eine Ausbildung und eine sinnvolle Beschäftigung zu ermöglichen, die später - auch bei negativem Verfahrensausgang – anderswo nutzbringend eingesetzt werden kann“, heißt es in dem Erlass, der nun aufgehoben werden soll.
Die Beschäftigung bedarf einer Beschäftigungsbewilligung durch das AMS, sie wird über die gesamte Dauer der Lehrzeit ausgestellt. Für alle Berufe, in denen eine Bewilligung erteilt werden soll, muss ein nachgewiesener Lehrlingsmangel bestehen. Der Lehrlingsmangel ist anhand eines konkreten Ersatzkraftverfahrens festzustellen. Der Regionalbeirat muss der Bewilligung einhellig zustimmen. In allen Fällen muss bereits ein Arbeitgeber mit einer konkreten Lehrstelle vorhanden sein.
Die Beschäftigungsbewilligung darf nur dann erteilt werden, wenn der Asylwerber seit mindestens drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen ist und einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht für die Dauer des Asylverfahrens hat oder geduldet ist und für die Besetzung der Lehrstelle keine bevorzugte und gleich qualifizierte Ersatzarbeitskraft erfolgreich vermittelt werden kann. Das Asylverfahren darf noch nicht rechtskräftig negativ abgeschlossen sein.