Eine „Schweinerei“ im Gurgltal mit Happy End
Der Naturschutz untersagte einem Biobauern die Haltung seiner Schweine im Gurgltal. Das Gericht sieht aber öffentliches Interesse.
Von Hubert Daum
Nassereith –Seit über zehn Jahren wälzen sich die Zuchtschweine von Biobauer und Gemeindevorstand Markus Leitner im Gurgltaler Schlamm. „Die 1500 Quadratmeter große, eingezäunte Weide mit zwei Unterständen ist für sie das Paradies“, meinte er im vergangenen Herbst und war völlig fassungslos, als das Naturschutzreferat der BH Imst ihm die sofortige Entfernung der Tiere befahl, die TT berichtete.
Im Zuge einer anonymen Anzeige wegen eines angeblich unrechtmäßig errichteten Bienenhauses auf demselben Grundstück – die ist mittlerweile vom Tisch – hatte die Behörde von der Schweinehaltung Kenntnis erlangt. Der Vorwurf: Die Weide liege in einem kartierten, schützenswerten Feuchtbiotopgebiet, eine naturschutzrechtliche Bewilligung wäre nötig gewesen. „Wir haben uns damals auch erkundigt. Allerdings war nirgends, auch nicht im Tiroler Rauminformationssystem, ersichtlich, dass es sich hier um eine Naturschutzfläche handelt“, blickt Leitner zurück. „Auch im Umweltbericht 2017 des Landes steht, dass für das Gurgltal keine Biotop-Kartierung existiert.“
Die Umweltabteilung beharrte allerdings auf ihrer Entscheidung, sodass der Biobauer die naturschutzrechtliche Bewilligung im Nachhinein beantragen musste. Diese wurde erwartungsgemäß abgelehnt. Die Zurückdrängung von Feuchtvegetationseinheiten sei aus fachlicher Sicht untragbar. Leitner verstand die Welt nicht mehr. So musste er seine Zuchtschweine auf seinem Hof mitten im Dormitzer Wohngebiet mit wesentlich weniger Auslauf halten. „Die einzige Chance wäre die Geltendmachung öffentlichen Interesses“, tönte es noch im Frühjahr, „das wird es aber nicht spielen.“
Allerdings gab sich Leitner nicht geschlagen und richtete Beschwerde gegen den Bescheid an das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG). „Hans Gföller von der Rechtsabteilung der Landwirtschaftskammer sagte mir Rechtsberatung zu und sah schon anfangs den Kampf gegen den Bescheid nicht aussichtslos“, erinnert sich der Beschwerdeführer. „Dass ich aber die Schweine schon Anfang August wieder in ihr Paradies zurückbringen konnte, war für mich völlig unerwartet.“
Das LVwG gab also der Beschwerde statt und wog in den Verhandlungen die Interessen des Naturschutzes und das landwirtschaftliche Interesse ab. Das LVwG bestätigte inhaltlich die naturkundefachliche Stellungnahme des BH-Sachverständigen und spricht von der Zerstörung eines Feuchtgebietes im Ausmaß von etwa 1000 m². „Die BH hat die landwirtschaftlichen Interessen nicht berücksichtigt“, weiß Gföller. Dies tat jedoch das LVwG mit einem agrarfachlichen Gutachten. „Die Schweinezucht in biologischer Wirtschaftsweise stellt in Tirol eine landwirtschaftliche Nischenproduktion dar“, heißt es auszugsweise. Von Konsumenten würden vermehrt Lebensmittel aus regionaler biologischer Produktion nachgefragt. Die artgerechte Haltung der Tiere sei dabei wichtig. Außerdem mache die Schweinezucht der seltenen Rasse Schwäbisch-Hällisch mit rund 40 % einen bedeutenden Anteil des Betriebserlöses aus und trage deshalb zur Existenzsicherung des Betriebes bei. Argumente, die das LVwG bewogen, langfristiges öffentliches Interesse anzuerkennen und dieses über die Interessen des Naturschutzes zu stellen.
„Ich bin glücklich, dass man in Tirol noch Landwirtschaft betreiben darf“, sagt ein erleichterter Leitner, „ich möchte auch andere Bauern ermutigen, bei Problemen die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.“