Jessica Pilz: „G‘scheit hoch, da heroben“
Kletterjuwel Jessica Pilz kann es auf den künstlichen Wänden gar nicht hoch genug gehen. Ansonsten mag es die Niederösterreicherin gerne bodenständig.
Von Max Ischia
Innsbruck –Der dicke Morgennebel hängt noch tief und verhüllt über weite Teile den Blick auf Innsbruck und seine Umgebung. Ungeachtet dessen verlässt Jessica Pilz die 1965 m hoch gelegene Patscherkofel-Bergstation und macht erst einmal große Augen: „Ma, g’scheit hoch, da heroben“, sagt die 21-Jährige merklich beeindruckt und hinterlässt den Autor dieser Zeilen ein wenig irritiert. Sie, Österreichs unbestritten beste Wettkampfkletterin, müsse doch in den Bergen zu Hause sein? Muss sie nicht – und das hat nur in zweiter Linie etwas mit ihrer niederösterreichischen Herkunft zu tun.
„Ich war eigentlich noch nie richtig bergsteigen“, sagt eine, die sich auf den künstlichen Kletterwänden seit Jahren von Erfolg zu Erfolg hantelt: dreifache Jugend-Weltmeisterin (2011, ’12, ’13), vierfache Junioren-Europameisterin (2012 bis 2015), ehe sich das Ausnahmetalent vor drei Jahren mit dem Kombi-EM-Titel erstmals auch in der allgemeinen Klasse vergoldete. Seither ist Jessica Pilz gemeinsam mit der Slowenin Janja Ganbret die Frau, die es auf den Vorstiegswänden dieser Welt zu schlagen gilt. Auch oder insbesondere bei der unaufhaltsam näher rückenden Heim-Weltmeisterschaft.
Vor zwei Jahren hat die HAK-Maturantin ihr Elternhaus in Haag (NÖ) verlassen, um von den inzwischen europaweit unvergleichlichen Trainingsbedingungen im Innsbrucker Kletterzentrum zu profitieren. Doch die Wanderlust hätte sie deswegen noch nicht gepackt. „Nicht, weil es mir nicht taugen würde, aber neben dem beinharten Training bleibt wenig Raum. Und wenn ich einmal einen Tag pausiere, gehe ich nicht auf einen Berg.“
Irgendwann, in spätestens zehn Jahren, sieht Pilz ihre Zukunft ohnedies am Fels. So wie Angy Eiter, die vierfache Weltmeisterin aus Imst, mit der sie nebst der Leidenschaft fürs Kraxeln auch den Kopfsponsor teilt.
Vorbilder habe sie nie welche gehabt, erzählt Pilz bei einem Cappuccino im stylischen Gipfelrestaurant. „Aber wie Angy oder Margo Hayes schwierigste Felsrouten meistern, das inspiriert mich sehr.“ Wie auch der Kletterstil ihrer in diesem Sommer verletzungsbedingt zurückgetretenen Teamkollegin Anna Stöhr: „Ihre Kletterei ist so kraftvoll, dynamisch, einfach cool zum Anschauen. Und Anna hatte dabei stets ein Lächeln auf den Lippen.“
Da trifft es sich nicht schlecht, dass Pilz gewissermaßen Anleihen nehmen kann und seit Frühjahr auf ein Trainertrio baut. Nebst Nationalcoach Roman Krajnik sind dies ausgerechnet Stöhr-Lebensgefährte Kilian Fischhuber und Reini Scherer, einst Coach von Angy Eiter. Eingefädelt hat diesen Deal Michael Schöpf, Sportmanager des Österreichischen Kletterverbandes und OK-Chef der WM.
Auf die Frage, wann Pilz von einer „sehr guten WM“ sprechen würde, überlegt sie nicht lange: „Wenn ich Gold hole.“ Und eine gute WM? „Wenn ich eine Medaille hole – sonst ist es einfach nur schlecht.“ Punkt – und aus. Wer wie sie in den bisherigen vier Vorstieg-Weltcups am Stockerl stand und dabei den überfälligen ersten Sieg feiern konnte, gibt sich eben nur mit dem Höchsten zufrieden.