Justiz soll durch Digitalisierung über 200 Millionen einsparen

Alpbach (APA) - Justiz- und Reformminister Josef Moser (ÖVP) plant für den Justizbereich ein Digitalisierungspaket, das bis 2022 im Vollausb...

Alpbach (APA) - Justiz- und Reformminister Josef Moser (ÖVP) plant für den Justizbereich ein Digitalisierungspaket, das bis 2022 im Vollausbau Einsparungen von 180 Millionen Euro pro Jahr bringen soll. Bei Justizverfahren sollen Einsparungen von weiteren 35 Mio. Euro schlagend werden und im Strafvollzug noch einmal 15 Mio. Euro jährlich, erklärte Moser im APA-Interview am Rande des Europäischen Forum Alpbach.

Geplant sind demnach ein interaktives Bürgerserviceportal, das Bürgern und Unternehmen den Weg aufs Amt ersparen soll. Betroffene sollen sich künftig auch digital über den Stand von Verfahren informieren können. Bei der Aufbereitung von Akteninhalten soll es zum Einsatz künstlicher Intelligenz kommen, so dass Entscheidungsgrundlagen elektronisch zur Verfügung stehen sollen. Die Ediktsdatei der Justiz soll voll digitalisiert, Gläubigerforderungen künftig auch online angemeldet werden.

„Die Justiz soll kunden-, bürger- und unternehmensfreundlicher werden“, sagte Moser. Durch die Einsparungen werde die Justiz außerdem mehr budgetären und personellen Spielraum für die Herausforderungen bekommen, die sich durch mehr Polizisten und mehr Aufklärung, durch das Sicherheitspaket oder das neue Erwachsenenschutzgesetz ergeben.

Probleme ortet der Justizminister im Strafvollzug. „Die Diversität schlägt im Justizbereich voll durch. Ich habe mehr Menschen, die aus dem Ausland kommen und mit der Justiz in Verbindung kommen. Von über 9.000 Häftlingen kommen über 50 Prozent aus dem Ausland. Es gibt derzeit Häftlinge aus 102 Nationen. Nachdem sich die Insassenpopulation ändert und die Gewaltbereitschaft zunimmt, brauchen wir mehr Sicherheit für die Justizwachebediensteten.“ Das Strafvollzugsgesetz soll an diese Anforderungen angepasst werden.

Gleiches gelte für das Maßnahmenvollzugsgesetz. Weil die Zahl der geistig abnormen Rechtsbrecher zunimmt, reichen laut Moser die Plätze nicht mehr aus. „Wir brauchen neue Hafträume und müssen bei der Therapie so ansetzen, dass eine Reintegration möglich ist.“ Die Einrichtung in Asten werde deshalb derzeit ausgebaut. „Da kommen 200 Plätze dazu.“

Die überfüllte Justizanstalt Josefstadt soll eine bessere Infrastruktur bekommen. Bei einer Kapazität von 990 Plätzen gibt es derzeit 1.200 Häftlinge. „Wir sind wegen der vielen Untersuchungshäftlinge an der Kapazitätsgrenze. In Hirtenberg und Simmering werden deshalb gerade zusätzliche Plätze geschaffen, um Häftlinge aus der Josefstadt zu übersiedeln.“ Insgesamt seien Österreichs Gefängnisse derzeit zu 92 Prozent ausgelastet, so der Minister.

Ungeachtet dessen prüft das Justizministerium derzeit die Notwendigkeit der Verschärfung der Strafen für Sexual- und Gewaltverbrechen. Die Regierung hatte im Regierungsprogramm entsprechende Schritte angekündigt. Moser erwartet im September erste Evaluierungsergebnisse einer an die Universität Wien in Auftrag gegebenen Studie. „Dann werden wir in der Task Force diskutieren, welche Maßnahmen sind zielgerichtet und wohin soll es gehen.“ Denkbar ist laut Moser ein „weiterer Erschwernisgrund, wenn jemand mit außerordentlicher Aggressivität und Gewalt vorgeht oder es für das Opfer auf Dauer nachteilige Folgen gibt“.

Die geplante Bundesstaatsreform und Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern sieht Moser nicht als Match mit den Bundesländern. „Da gibt es kein Match. Wenn man Österreich weiter entwickelt, soll man nicht das Match in den Mittelpunkt stellen, sondern die Vernunft zur Anwendung bringen.“ Etliche Gesetzesmaterien, die Bund-Länder-Kompetenzen betreffen, sind im Artikel 12 der Bundesverfassung geregelt. Ein Entwurf zur Beseitigung des Artikel 12 werde derzeit fertiggestellt und dann ans Parlament weitergeleitet. Im zweite Halbjahr versuche man dann bei den Zuständigkeiten für Krankenanstalten, Elektrizitätswesen, Datenschutz, Genehmigungsverfahren oder Armenwesen zu einem Kompromiss mit den Ländern zu kommen. „Da sind wir schon sehr sehr weit.“

Die jüngste Debatte über eine Steuerautonomie für die Länder sieht Moser positiv. „Es ist immer gut, die Ausgabenfinanzierungsverantwortung zusammenzuführen. Ich kämpfe seit 20 Jahren dafür, dass das stattfindet.“ Vor einer solchen Steuerautonomie brauche es aber eine Kompetenzbereinigung. „Wer hat welche Aufgabe, wer finanziert das, wie soll es finanziert werden, und wer hebt die Steuern ein.“

Punkto Standortentwicklungsgesetz - ein Entwurf des Wirtschaftsministeriums ist mit massiver Kritik und verfassungsrechtlichen Bedenken konfrontiert - meinte Moser, dass für das Justizministerium von Anfang an klar gewesen sei, dass Nachbesserungen erforderlich sind. Nachdem das Wirtschaftsministerium mitgeteilt habe, dass es zu einer „grundlegenden Überarbeitung“ komme, habe man auf eine Stellungnahme im Begutachtungsverfahren vorerst verzichtet. „Wir warten jetzt de facto auf den endgültigen Entwurf, der ins Parlament weitergeleitet wird, und den werden wir auch mit dem Verfassungsdienst begutachten.“

Ob die Justiz in der Causa um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) alles richtig gemacht hat? Moser: „Das kann man nie im Leben sagen, ob man alles richtig macht. Man muss sich aber für die Zukunft überlegen, was man tut, damit kein falscher Eindruck entsteht. Das kann es ja wohl nicht sein, dass es da Hausdurchsuchungen beim BVT gibt, und ich weiß davon nichts.“ Der Minister plant deshalb eine Änderung bei der Berichtspflicht in solchen Fällen. „Es gibt eine Verantwortung, man muss die Verantwortung aber auch zulassen.“ Politischer Einfluss auf Verfahren dürfe aber nicht möglich sein. „Der Minister soll nicht in Ermittlungen eingreifen. Das ist ein Punkt, wo wir gerade einen Vorschlag entwickeln.“

Moser, um den es im April Rücktrittsgerüchte gegeben hatte, betonte in Alpbach, dass er die Arbeit als Justizminister gerne macht. „Es ist nicht nur die Leidenschaft da, sondern die Taten haben auch zu Ergebnissen geführt.“