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Werbung für Abtreibungen: Verteidiger hält § 219a für verfassungswidrig

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In Kassel stehen zwei Frauenärztinnen vor Gericht, weil sie auf der Homepage ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche als Leistung erwähnt haben.

Berlin – Im Verfahren vor dem Amtsgericht in Kassel gegen zwei Frauenärztinnen wegen unzulässiger Werbung für Abtreibungen will die Verteidigung einen Freispruch erreichen. Der der Anklage zugrunde liegende Strafparagraf sei in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig, sagte Strafverteidiger Knuth Pfeiffer zum Verhandlungsauftakt am Mittwoch. Die Verhandlung soll am Nachmittag fortgesetzt werden.

Auf der Homepage ihrer Gemeinschaftspraxis führen die Medizinerinnen Natascha Nicklaus und Nora Szász den Schwangerschaftsabbruch unter den in ihrer Praxis möglichen medizinischen Leistungen auf. Laut Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs ist es strafbar, „seines Vermögensvorteils wegen“ Schwangerschaftsabbrüche anzubieten.

Dies hält die Staatsanwaltschaft hier für gegeben. Nach Angaben der Angeklagten in Kassel kam die Strafanzeige von zwei Männern und „selbsternannten Lebensschützern“, die bundesweit gegen hunderte Ärzte vorgehen.

Zehn bis 15 Abbrüche pro Jahr

Die Angeklagten bestritten finanzielle Motive. „Unsere Motivation war, Patientinnen deutlich zu machen, dass wir auch ungewollt Schwangeren zur Seite stehen“, sagte Nicklaus. Zusammen nähmen beide Ärztinnen zehn bis 15 Abbrüche pro Jahr vor. Dies bringe weniger Honorar als die Betreuung Schwangerer.

Pfeiffer kritisierte die Strafvorschrift als „Maulkorb“ und „Vorfeldkriminalisierung“. Der Hinweis auf ein straffreies medizinisches Angebot könne selbst nicht strafbar sein. Das Gesetz greife hier unnötig und überzogen in die Berufsfreiheit ein. Ein standesrechtliches Verbot kommerzieller Werbung reiche aus. Auch die Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen seien verletzt.

Mit einem Beweisantrag will die Verteidigung belegen, dass das Abtreibungsverbot und insbesondere auch der Strafparagraf 219a sich nicht positiv für den Schutz des ungeborenen Lebens auswirken. Es gebe „keinen Schutzzweck für Paragraf 219a“ und damit auch keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung, sagte Rechtsanwältin Gabriele Heinecke und fügte hinzu, die Ärztinnen wollten notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht oder auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.

Im November hatte das Amtsgericht Gießen eine Ärztin zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. Die zunächst für die kommende Woche vorgesehene Verhandlung im Berufungsverfahren gegen die Gießener Medizinerin Kristina Hänel wurde zuletzt auf unbestimmte Zeit vertagt. (APA/AFP)