Kretschmer ruft in Chemnitz zu Vertrauen in den Rechtsstaat auf

Berlin (APA/AFP) - Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat nach den Krawallen der vergangenen Tage bei einem Besuch in Chemnitz um...

Berlin (APA/AFP) - Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat nach den Krawallen der vergangenen Tage bei einem Besuch in Chemnitz um Vertrauen in die staatliche Ordnung geworben. „Der Grundsatz unseres Zusammenlebens ist Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, sagte Kretschmer am Donnerstagabend zum Auftakt eines schon länger geplanten Bürgergesprächs in der Stadt.

„Wir werden alles tun, damit dieses Verbrechen aufgeklärt und gesühnt wird“, sagte der CDU-Politiker mit Blick auf die Tötung eines 35-jährigen Deutschen am Wochenende, für die zwei Flüchtlinge aus Irak und Syrien verantwortlich gemacht werden. Dies sei jetzt Aufgabe der Justiz und der Gerichte. Er eröffnete das Bürgergespräch mit einer Schweigeminute für den Getöteten.

Der Ministerpräsident wandte sich auch gegen fremdenfeindliche Übergriffe. So habe er bei seinem Besuch in Chemnitz eine dort schon lange lebende Frau chinesischer Herkunft getroffen, die in der Stadt angepöbelt worden sei. „Dem müssen wir alle mit aller Kraft entgegentreten“, rief er die anwesenden Bürger auf, mit denen er und weitere Mitglieder der Landesregierung sich danach zum Gespräch zusammensetzten.

Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) rief zu Toleranz und Offenheit gegenüber Ausländern auf. „Sie können Ihre Meinung sagen, aber was nicht geht, dass man eine Meinung mit einer Hetzjagd ausdrücken will“, sagte Ludwig. Sie habe Verständnis für Wut und Bestürzung, „aber nicht mit Gewalt“. Ihr Beitrag wurde auf der Veranstaltung wiederholt von Buhrufen unterbrochen. Vizeministerpräsident Martin Dulig (SPD) rief dazu auf, „für ein anständiges Chemnitz, für ein anständiges Sachsen einzutreten“.

Während des Besuchs Kretschmers demonstrierten in der Stadt nach Behördenangaben etwa 900 Menschen, die dem Aufruf von Pro Chemnitz gefolgt waren. Anders als bei den Kundgebungen zuvor blieb es diesmal aber zunächst weitgehend friedlich. Nach der Tötung des 35-Jährigen war es am Sonntag und Montag in Chemnitz bei Demonstrationen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, an denen sich Rechtsextreme und radikale Hooligans beteiligten.

Die Polizei war am Donnerstag mit einem Großaufgebot zugegen. Dabei wurden die sächsischen Beamten von Einsatzgruppen aus anderen Bundesländern sowie von der Bundespolizei unterstützt. Nach den Ausschreitungen zuvor, bei denen auch ausländisch aussehende Menschen durch die Straßen gehetzt wurden, hatte es Kritik an mangelnder Polizeipräsenz gegeben.

Das Bündnis Chemnitz Nazifrei hatte diesmal nach eigenen Angaben auf den Aufruf zu einer Gegenkundgebung verzichtet, um Teilnehmer nicht in Gefahr zu bringen. Allerdings sind für das Wochenende erneut Kundgebungen angekündigt, sowohl von Rechtsextremen als auch von einem Bürgerbündnis, das sich unter dem Motto „Herz statt Hetze“ gegen Fremdenfeindlichkeit wendet.

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Wegen der Veröffentlichung eines der Haftbefehle im Fall Chemnitz wurde ein Justizvollzugsbeamter vom Dienst suspendiert. Durchsuchungen und weitere Ermittlungen hätten einen Anfangsverdacht gegen den Mann derart erhärtet, dass ihm „mit sofortiger Wirkung vorläufig die Führung der Dienstgeschäfte verboten“ wurde, erklärte das sächsische Justizministerium. Der Mann arbeitete demnach in der Justizvollzugsanstalt Dresden.

Die SPD verlangte unterdessen angesichts von AfD-Aufrufen zu Selbstjustiz und Drohungen gegen Journalisten nach den Vorfällen in Chemnitz eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. „Insbesondere die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass weite Teile der AfD offen völkisch-nationalistisches Gedankengut vertreten und rechtsextreme Gewalttaten verharmlosen“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil den Zeitungen der Funke-Mediengruppe laut Vorabmeldung vom Donnerstag. Dem müssten sich alle Demokraten laut und entschlossen entgegenstellen.