Berlin, das deutsche Zauberwort
Der Sound von Berlin hat viele Musiker, auch Sophie Hunger, beeinflusst. Auf dem neuen Album „Molecules“ zeigt sich die Schweizerin geradezu elektrisiert.
Von Barbara Unterthurner
Innsbruck –Sophie Hunger steht für luftige Folkkompositionen, für eine expressiv-sanfte Stimme und für ein Daheimfühlen in unterschiedlichen Sprachen. Oder besser stand dafür. Sophie Hungers neues Album „Molecules“, das gestern erschien, spricht eine ganz andere Sprache. Nicht nur rein musikalisch gesehen.
Bei „Molecules“ wird aus Folk Elektro, aus schwebenden Rhythmen treibende Beats. Und das Singen in Deutsch, Französisch und Schweizerdeutsch gehört auch der Vergangenheit an, in Berlin spricht man Englisch. Wieso Berlin? Weil Sophie Hunger offen zugibt, dass ihr neues Album maßgeblich von der deutschen Hauptstadt beeinflusst wurde, in der sie inzwischen lebt. „Berlin, du deutsches Zauberwort“, ist einer der wenigen deutschen Sätze auf dem Album, dafür aber ein umso aussagekräftiger.
Dabei startete ihre Karriere in der Heimat der Bernerin. Das Album „Monday Ghost“(2008) erreichte in der Schweiz Platin, die Nachfolge-LP „1983“ machte die heute 35-Jährige auch über die engen Grenzen ihres Heimatlandes hinaus bekannt. Schon immer zeigte sich Sophie Hunger mutig, offen für das Experiment, arbeitete mit Musikern wie Michael Flury, Steve Wilson oder Max Herre zusammen und gastierte sowohl in Glastonbury und Montréal als auch beim Jazzfestival in Montreux – von internationalem Applaus der Kritiker begleitet.
Nach sechs Alben nun die große Wende, nicht zurück an ihren eigenen Anfang, aber zurück in vergangene Musikzeiten. Anklänge von Krautrock bis hin zu deutschen Synthie-Klängen der Spätphase der Neuen Deutschen Welle auf Platte gepresst. Die Instrumentierung wurde dafür deutlich zurückgefahren: Sophie Hunger setzt auf Stimme, eine locker gezupfte Akustikgitarre; ansonsten bestimmen Synthesizer und Drum-Computer das Klangbild.
Den neuen Stil führt sie selbstbewusst vor, das zeigen bereits die Vorabsingles „There Is Still Pain Left“, „Tricks“ und „She Makes Me President“. Letztgenanntes eröffnet auch gleich das Album der Wahlberlinerin. Und taucht tief ein in die Clubszene der Stadt. Doch das wummernde Intro vermischt sich wunderbar mit Sophie Hungers Stimme. Das persönliche „Silver Lane“, das folgt, stellt ein gelungenes Gegenstück dar und steckt zu Anfang des Albums das Spektrum ab, in dem sich die Musikerin nun bewegen möchte. Umso interessanter der dritte Track „There Is Still Pain Left“, der zwischen Nick Cave und Lana Del Rey changiert. Das darauffolgende „Tricks“ tritt mit einem rastlosen Beat an und fragt frech: „What are you gonna do when your dreams have all come true?“
Textlich bleibt sich Sophie Hunger treu, streift die Fragen des Persönlichen und jene der Gesellschaft. Auch wenn sich viele Fans an die aktuelle Sophie Hunger erst langsam ranhören müssen: Im Elektrogewand, gespickt mit musikalischen Zitaten, bleiben es doch die altbekannten Melodien. Jetzt eben als Balladen für das digitale Zeitalter.
Elektro-Pop Sophie Hunger: Molecules. Caroline International/Universal.