Venedig im Ausnahmezustand: Lady Gaga verzückt bei Filmfest
Junge Frauen hyperventilieren und kreischen aufgeregt – der Besuch des Musikidols Lady Gaga versetzt das Festival in Aufruhr. Die Sängerin stellt ihr Schauspieldebüt vor. Gemeinsam mit Regisseur Bradley Cooper schrieb sie dafür sogar einige Songs.
Von Aliki Nassoufis, dpa
Venedig – Ihr Auftritt ist filmreif: Ein enges weißes Kleid, die platinblonden Haare reichen bis zu den Schultern. Schon bei ihrer Ankunft auf dem venezianischen Lido wird Lady Gaga am Freitag mit hysterischen Kreischkonzerten ihrer Fans begrüßt. Immerhin ist sie eine der erfolgreichsten Künstlerinnen unserer Zeit, ihre Songs wie „Poker Face“ landeten an der Spitze der Musikcharts.
Nun aber betritt Lady Gaga Neuland: mit ihrer ersten Rolle als Schauspielerin – daher auch der glamouröse Auftritt beim Filmfest Venedig. In „A Star is Born“ spielt Lady Gaga, das ist wohl kaum verwunderlich, eine junge Musikerin. Diese Ally singt aber nur in einer kleinen Bar und hält sich mit einem Job in einem Restaurant über Wasser. Durch Zufall hört der Sänger und Superstar Jackson Maine sie singen, entdeckt ihr Talent und bringt sie auf die Bühne - schon bald beginnt Ally ihre eigene Musikkarriere. Jackson Maine hingegen scheint in einem Strudel von Alkoholsucht gefangen, aus dem er sich nur schwer befreien kann.
„Ich wollte immer eine Schauspielerin sein“, erzählte Lady Gaga beim Filmfest, wo „A Star is Born“ außer Konkurrenz läuft. „Das war immer mein Traum“. Die Rolle als Schauspielerin sei nun zwar sehr ungewohnt gewesen. Doch dabei konnte sie auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. „Als ich in der Musikindustrie angefangen habe, so mit 19 Jahren, bin ich auf den Boden geknallt“, erinnerte sich die 32-Jährige. Sie habe in vielen Bars gespielt und viele Klinken putzen müssen.
Sie sei aber stark geblieben. „Am Anfang meiner Karriere habe ich oft ‚Nein‘ gesagt.“ Beim Vorsingen „war ich nicht das hübschste Mädchen im Raum“. Produzenten hätten versucht, die von ihr geschriebenen Lieder anderen Sängerinnen zu geben. „Aber ich habe an meinen Songs festgehalten.“ Sie habe lieber Umwege als den einfachen Weg genommen. „Ich hatte meine eigene Vision.“
Ihre Ally im Film ist anfangs zwar noch deutlich unsicherer, wächst dann aber schnell in ihre neue Rolle hinein. Gagas Spiel wirkt dabei natürlich und nuanciert, sie verkörpert glaubwürdig die junge Musikerin, die zudem mit der Sucht ihres Partners zu kämpfen hat. Besonders bemerkenswert ist ihre Chemie mit Bradley Cooper, der nicht nur den Musiker Jackson Maine spielt, sondern mit „A Star is Born“ auch sein Debüt als Regisseur gibt. Bisher war der 43-Jährige als Schauspieler mit Filmen wie „Hangover“ und „Silver Linings“ bekannt, er betritt mit diesem Film also ebenfalls ungewohntes Terrain.
Coen-Brüder wussten zu überraschen
Die Brüder Ethan und Joel Coen hingegen sind bereits erfahrene und mehrfach Oscar-prämierte Regieveteranen – überraschten das Publikum in Venedig aber dennoch: Ihr Wettbewerbsbeitrag „The Ballad of Buster Scruggs“ ist ein episodisch erzähltes Werk über unterschiedliche Menschen zur Pionierzeit in Amerika. Wie schon in ihren früheren Werken „The Big Lebowski“ oder „No Country for Old Men“ rücken sie auch hier wieder schräge, etwas exzentrische Figuren in den Mittelpunkt. „The Ballad of Buster Scruggs“ aber ist eine ungewöhnliche Mischung aus Western, Musical, Komödie und Drama, voller Cowboys und knallender Colts, Saloons, weiter Wüstenlandschaften und Siedlertrecks.
Mit Spannung war auch das letzte Werk von Orson Welles erwartet worden: „The Other Side of the Wind“ hatte der 1985 gestorbene Regisseur bereits in den 70er Jahren gedreht, aber nie vollendet. Nun kaufte der Streamingdienst Netflix die Rechte, schnitt den Film fertig und stellte ihn in Venedig vor. „The Other Side of the Wind“ reflektiert ein bisschen die Geschichte von Welles selbst, handelt das Werk doch von einem älteren Regisseur, der mit seinem jüngsten Film ein Comeback plant. Legenden wie John Huston und Peter Bogdanovich sind zu sehen, doch letztendlich wirkt die Geschichte vom Film im Film zu wirr und unzusammenhängend, als dass sie wirklich als eines von Welles Meisterwerken wie „Citizen Kane“ in Erinnerung bleiben wird.