“Gundermann“: Singender Baggerfahrer und Spitzel
„Gundermann“ von Andreas Dresen widmet sich der DDR-Liedermacher-Ikone. Der Film ist mehr als „Ostalgie“.
Innsbruck –Gerhard „Gundi“ Gundermann war ein lebender Widerspruch. Sein Leben war mit der ehemaligen DDR verknüpft, im Guten wie im Schlechten. Ein ostdeutscher Musikstar der 80er und 90er, weigerte er sich seine Arbeit im Kohlebau aufzugeben. Der jung verstorbene Liedermacher wurde als „Springsteen des Ostens“ und „Dylan des Tagebaus“ bezeichnet. Für Zweiteren trat er auch als Vorband auf. Er war eine der schillerndsten Figuren der DDR, ihr frecher Kritiker – und auch ihr Stasi-Spitzel.
Seinem bei uns unbekannten Leben widmet sich das intensive Biopic „Gundermann“. Gedreht hat es Andreas Dresen, acht Jahre jünger als Gundermann und als Amateur-Musiker an der Wiederentdeckung des deutschen Barden interessiert. Der Spielfilm erzählt nun, mit viel Spannung und Drive, von „Gundi“, nach Recherche und Drehbuch von Laila Stieler.
Lehrstück oder filmischer Lexikon-Eintrag ist „Gundermann“ nie, anders als etwa die deutsche Oscar-Einsendung „Werk ohne Autor“. Wer Gundi Gundermann nicht kannte, lernt vor allem eine Figur kennen, die viel hergibt für eine Filmerzählung.
Wäre die Vorlage nicht ein echter Mensch, würde man diesen Gundermann für zu schräg und übertrieben halten, nicht zuletzt im Aussehen: „Mit Fleischerhemd, Jeans, Hosenträgern und der komischen Brille sah er nicht wie ein Rockstar aus. Aber wenn er den Mund aufmachte, hat’s einfach gestimmt“, sagt Dresen im taz-Interview.
Das Wechselspiel des Protagonisten mit seiner ostdeutschen Umgebung dominiert. Dekor und Kolorit spielen mit der „Ostalgie“, die „Goodbye Lenin“ schon 2003 satirisch auf die Spitze trieb. Politisch jedoch setzt sich der Film entlang der echten Biografie mit der Problematik der DDR-Diktatur auseinander.
Schon früh als „informeller Mitarbeiter” von der Staatssicherheit angeheuert, haderte Gundermann dennoch mit dem Regime. Er zehrte von der Zeit- und Arbeiter-Identität als Riesenbaggerfahrer im Kohle-Tagebau in der Lausitz, den der Film ebenso eindrucksvoll in Szene setzt wie die tollen Lieder. Die bittere Ironie der DDR zeigt sich, als gerade der idealistisch-kommunistische Kohlearbeiter als Parteimitgleid abgelehnt wird wegen „seiner prinzipiellen Eigenwilligkeit, des Nicht-Einfügens in die Kollektivität, des Nicht-verstehen-Wollens des Prinzips des demokratischen Zentralismus“, wie ein SED-Betriebsparteisekretär zu Protokoll gibt (im Film gespielt von Bjarne Mädel).
Der Film gruppiert diese Freunde und Feinde glaubhaft um „Gundi“, allen voran seine Frau Conny (die gebürtige Boznerin Anna Unterberger). Es geht dem Film um Gundermann, impulsiv und zum Verwechseln ähnlich gespielt von Alexander Scheer. Aber Regisseur Dresen weiß: Ihm kommt man nur über seine Musik und im Spiegel seiner Interaktionen mit anderen näher, etwa seinem Stasi-Führungsoffizier (Axel Prahl). Der Politik entkommt am Ende eben niemand.
In Gundermanns Heimat Sachsen marschieren gerade Nazis auf und machen Jagd auf Migranten. Was hätte wohl der Liedermacher über seine ostdeutsche Nachfolge-Generation gesungen? (maw)