Kino

,,The Rider“: Von Pferden und Menschen

© Filmladen/Luna

Mit Chloé Zhaos Neo-Western „The Rider“ kommt diese Woche eine ergreifende Erzählung über das Leben in einem Indianerreservat in South Dakota ins Kino.

Innsbruck –In den Badlands von South Dakota ist viel Platz für Landschaften, die Regisseure immer wieder genutzt haben, um ihre Western mit den Verheißungen flimmernder Horizonte zu erhöhen. Die Badlands haben auch eine eigene Geschichte, die vom Gleichgewicht zwischen diesem Paradies und den Ureinwohnern erzählt, bis die Eroberer ihre Vorstellung von Zivilisation in die Gegend brachten. Die Ureinwohner wurden Opfer von Massakern, das berühmteste ist jenes an den Lakota-Sioux in Wounded Knee. In den Hollywood-Western wurde die Geschichte der Grausamkeiten natürlich anders erzählt, eine historische Neuorientierung begann im Kino erst mit Kevin Costners ebenfalls in den Badlands gedrehtem „Der mit dem Wolf tanzt“.

Die in Peking geborene Regisseurin Chloé Zhao erzählt in ihrem Neo-Western „The Rider“ eine Geschichte über Nachkommen der Lakota-Sioux, die im Pine Ridge Reservat leben. Es ist einer der aufwühlendsten und schönsten US-amerikanischen Filme des vergangenen Jahres.

Am Anfang zieht sich Brady Blackburn (Brady Jandreau) mit einem Messer die Klammern aus der Schädeldecke. Unter der verkrusteten Narbe liegt eine Metallplatte, ein Pferd hatte dem Rodeo-Reiter den Kopf aufgeschlagen. Nach der schmerzhaften Prozedur muss Brady jeden Finger einzeln vom Messergriff biegen, sein Gehirn ist nicht mehr in der Lage, Befehle zu senden. Sein Vater (Tim Jandreau) registriert die Behinderung mit einem mitleidigen Blick, seine Schwester Lilly (Lilly Jandreau) ist nicht wirklich in der Lage, das Ausmaß des Unglücks zu erfassen. Das autistische Mädchen kann Sätze nur wiederholen, mit ihrer Art, Bemerkungen mit Fragezeichen zu verzieren, wird sie zum Orakel, das Sinn oder Unsinn offenbart.

Verständnis findet der verletzte Cowboy nur in den Augen von Gus. So heißt Bradys Pferd, das er mit Hingabe gezähmt hat. Wenn er auf Gus durch die Wildnis reitet, spürt das Pferd die Schmerzen und bemüht sich um einen behutsamen Trab, als wollte es ihn nur durch den alten Traum von Freiheit schaukeln. Die Beziehung zwischen dem Pferdeflüsterer und dem Tier ist als etwas Einzigartiges zu erkennen. Anderntags wird Brady von einem Geräusch geweckt, sieht, wie Gus auf einen Anhänger geschoben wird. Der Vater, ein Trinker und Spieler, hat Gus verkauft, um die Raten für den Wohnwagen bezahlen zu können. Aggressionen liegen in der Luft, Vater und Sohn haben vielleicht schon gewaltsame Erfahrungen hinter sich. Dabei ist dem Vater emotionale Nähe zu Tieren nicht fremd, aber „Gus muss als Mitglied der Familie jetzt seinen Beitrag leisten!“.

Der junge Cowboy sucht Trost am Grab seiner Mutter, aber was heißt schon Grab? Aus einem bunt bestickten Cowboy-Stiefel ragen vertrocknete Wiesenblumen, auf ähnliche Weise sind die Träume des 20-Jährigen verwelkt. Er, der die Pferde liebt, wird nie wieder reiten können. „Einem Pferd in meiner Lage“, sagt er zu seiner Schwester, „hätte man schon längst den Gnadenschuss gegeben.“ Was wird Lilly aus diesem Satz machen?

„The Rider“ bezieht die emotionale Wucht und seine Wahrhaftigkeit aus dem dokumentarischen Erzählstil. Tatsächlich spielen sich Brady, Lilly, deren Vater und die anderen mit ihren Erfahrungen und Verletzungen selbst. Ein ähnlich ergreifendes Wunder war im Kino lange nicht mehr zu sehen. (p.a.)